Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ihn hinaus. Wir hörten seine zornige, scheltende Stimme bald von hier, bald von dort erschallen. Er brachte alles in Aufruhr. Dann legte er sich schlafen. So blieben auch die anderen nicht; sie gingen fort. Wir ebenso.
    Andern Tags war Sonntag. Wir blieben am Vormittag daheim. Wir sahen, wie sehr wir die verkappten Adjutanten störten. Nun die erwartete Botschaft aus Teheran und Bagdad gekommen war, wollten sie alles, was noch geschah, vom platten Dach herab heimlich beobachten, und da standen wir ihnen überall im Wege. Sie haßten uns. Einige Zeit vor Mittag sahen wir, daß Abdahn Effendi umherlief, überall eifrig fragend und suchend. Seine Frau war weg, war nirgends zu sehen, war verschwunden. Er hatte sich gestern abend mit ihr gezankt, hatte sie sogar geschlagen. Er hatte sich gleich heute früh wieder mit ihr gezankt. Da war sie gegangen, unbemerkt, still, ohne es ihm vorher zu sagen, ohne ihm vorher damit zu drohen. Das brachte ihn um alles Gleichgewicht. Er hatte nicht gewußt, daß diese wortlose, knechtisch gehorchende, niemals klagende Frau eigentlich seine einzige seelische Stütze gewesen war, und nun, da er sie vergeblich suchte, fiel sein Inneres langsam aber sicher zusammen. Als wir zum Mittagessen hinunterkamen, saß er am leeren Tisch, das bläuliche Gesicht in beide Fäuste gestemmt.
    »Wir essen in zwei Stunden. Es muß erst gekocht werden,« sagte er. »Meine Frau ist fort.«
    »Wir waren still.« Da stand er langsam auf, kam ebenso langsam auf uns zu, blieb vor uns stehen, stierte uns mit irrem Blicke an und wimmerte:
    »Nun werde ich es doch wohl sagen müssen!«
    Dann aber gab er sich einen Ruck. Es war, als ob er aus einer Ohnmacht wieder zu sich komme, als ob er uns bis jetzt gar nicht gesehen habe. Er schaute uns zunächst überrascht an, zog dann die Stirne zusammen und fragte:
    »Habt ihr es schon gehört? Sie ist fort!«
    »Wer?« fragte ich.
    »Meine Frau, das – – Weib! Sie ist eine heimliche Christin. Sie hat während der letzten Nächte an meinem Bett gesessen, von abend bis früh, und auf das Wort und auf den Schuß gewartet. Sie betete. Ich sagte es nicht. Da ist sie verrückt geworden und gegangen. Ich weiß, sie kommt nicht wieder. Wir essen in zwei Stunden. Die Mägde werden kochen.«
    Wir gingen. Als die zwei Stunden vorüber waren, stand der Tisch gedeckt. Er aß wie ein Wahnsinniger, so häßlich und so viel. Als er nicht mehr konnte, sprang er, ohne ein Wort zu sagen, von seinem Platze auf und rannte hinaus. Wohin, das wußte niemand. Kein Mensch bekam ihn an diesem Abend wieder zu sehen.
    Am Montag früh schien alles wieder in Ordnung zu sein. Als wir zum Morgenkaffee hinunterkamen, saß der Dicke an seinem Platze und aß. Am Mittag tat er dasselbe, am Abend auch. Nichts schien ihm seinen Appetit verdorben zu haben. Er unterhielt sich auch, doch nicht wie früher. Man fühlte, der Bogen war gespannt, das Gewehr geladen. Er ging schon vor uns schlafen. Aber daß er schlafen konnte, war unmöglich, und er sah am anderen Morgen auch wirklich so elend und übernächtig aus, wie einer, der sich die ganze Nacht zwischen Wachen und schlechten Träumen herumgeworfen hat.
    Um die Mittagszeit gab es einen großen Lärm. Es kamen türkische Soldaten, zwanzig Mann, unter dem Kommando eines Leutnants und eines Sergeanten. Sie nahmen in der türkischen Karawanserai Quartier. Und gegen Abend wiederholte sich der Lärm. Es kamen persische Soldaten, zwanzig Mann, auch unter dem Kommando eines Leutnants und eines Sergeanten. Die nahmen Quartier in der persischen Karawanserai. Keiner der beiden Leutnants meldete sich und seine Truppe dem Kommandanten der betreffenden Douane. Und keiner der beiden Leutnants betrat Abdahn Effendis Haus. Das ließ nichts Gutes ahnen. Sie logierten bei ihren Mannschaften im Serai.
    Was mich und Halef betrifft, so machten wir am Nachmittage einen Ausflug, bei dem uns der persische Selim Agha begleitete. Unterwegs nahm er Gelegenheit, mich zu fragen:
    »Sihdi, hat mein türkische Kamerad den Irrtum berichtigt, in dem du dich über uns befindest?«
    »Ja,« antwortete ich.
    »Was sagte er?«
    »Daß er nicht Leutnant, sondern Sergeant sei.«
    »Das mußt du falsch verstanden haben. Er ist nicht Tschausch (Sergeant) und ich bin nicht Bing Sadeh (Sergeant), sondern er ist On Baschi (Korporal) und ich bin Deh-Baschi (Korporal). Ich bitte, dir dies zu merken!«
    Und als wir dann zum Abendessen kamen, saßen die beiden Achmed Agha schon bereit. Der türkische

Weitere Kostenlose Bücher