Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
gewaltigen Ueberraschung und des Schuldgefühls zu einem schnellen, allgemeinen Geständnisse komme, zumal wenn man plötzlich die früheren Kommandanten in Ketten vorführe und den Verbrechern in dieser Weise ihr eigenes Schicksal zeige. Es fiel mir nicht ein, mich über diesen Plan zu äußern. Ich deutete nach dem Steinbruch hinüber und fragte den Müller kurz:
»Gehören die Arbeiter da drüben zu dir?«
»Ja,« antwortete er.
»Da wird zuweilen gesprengt?«
»Ja.«
»So hast du Zündschnur?«
»Einen Vorrat für lange Zeit,« nickte er.
»So bring mir ein Stück, vielleicht zwanzig Spannen lang! Wir brauchen es heute abend.«
»Wozu?« fragte der türkische Adjutant.
»Um den Basch Tschausch auf der Tat zu ertappen, so daß kein Leugnen möglich ist. Man wird mit dem angeblichen Säubern erst fertig sein, wenn es dunkel ist, damit wir nichts sehen und entdecken können. Wir brauchen die Stuben gar nicht zu untersuchen. Es genügt vollständig, wenn wir finden, daß die Zündschnur am Pfirsichbaum niederhängt. Sie führt nach unseren Wohnungen. Wir entfernen sie und bringen an ihre Stelle eine andere, die nur bis auf das Dach führt, aber nicht weiter. Ihr Funke erlischt, wo sie aufhört; sie ist ungefährlich. Dann warten wir, bis nach dem Essen der Basch Tschausch kommt. Sobald er sie angezündet hat, wird er ergriffen. Es ist bewiesen. Er kann nicht leugnen.«
Dieser Vorschlag fand allseitigen Beifall. Es wurde beschlossen, ihn auszuführen, und uns lud man ein, bis zum Abend hier zu bleiben. Wir taten dies gerne, hüteten uns aber, während der ganzen Zeit noch weiteres mitzuteilen.
Als die Zeit gekommen war, brach ich mit Halef zuerst auf. Wir beide hatten es übernommen, den Pfirsichbaum zu untersuchen und die zweite Zündschnur zu befestigen. Es war so eingerichtet, daß keiner von uns vor Nacht eintraf. Die beiden früheren Kommandanten, mit denen man die Täter überraschen wollte, sollten den hierzu geeigneten Augenblick heimlich in der Karawanserai erwarten. Der Müller bat, mit dabei sein zu dürfen. Es wurde ihm erlaubt. Von Abdahn Effendis verschwundener Frau war während des ganzen Tages kein Wort gesprochen worden.
Wir kamen an, als es schon völlig dunkel war, und schlichen uns durch das Gebüsch, welches bis nahe an die betreffende Ecke des Hauses reichte. Kein Mensch war in der Nähe. Wir huschten zum Baume hin. Ja, da hing die Zündschnur herab.
Wir fühlten sie. Man hatte sie nicht an den Baum befestigt, sondern sie nur lose herabgelassen, und zwar so, daß sie am Stamme niederging. Das machte uns die Sache leicht. Ich wickelte die mitgebrachte Schnur, die von derselben Nummer war, auseinander und verband sie durch einen Knoten mit der ersteren, um sie an dieser emporzuziehen. Dann schlich ich mich ganz ungesehen hinauf auf das Dach. Halef blieb unten, um aufzupassen. Er ließ, als ich oben zog, die Schnur so lange nach oben gleiten, bis die mitgebrachte genau so weit herniederhing, wie die vorherige. Dann gab er mir das Zeichen und entfernte sich, um nicht doch noch entdeckt zu werden. Ich aber knüpfte den Knoten wieder auf und befestigte das Ende der neuen, kurzen Schnur an einem hervorstehenden Nagel, bis zu dem der Funke also laufen konnte, weiter aber nicht. Die alte, lange aber wickelte ich zu einem Knäuel zusammen, den ich eben, ohne die Leitung zu zerreißen, durch den geöffneten Laden hinein in meine Stube legen wollte, als die beiden Adjutanten eintrafen und nach ihrer Wohnung kamen. Das gab mir gute Gelegenheit, ihnen den Befund zu melden. Nun war der zerschmetternde Stein im Rollen; er konnte nicht mehr aufgehalten werden. Ich schlich mich wieder hinab, wo Halef unten an der Treppe auf mich wartete. Hierauf stellten wir uns, indem wir taten, als ob wir erst jetzt kämen, beim Abendessen ein.
Da ging es sehr ruhig zu. Es wollte heute kein Gespräch zustande kommen, obgleich sie alle da waren, der Effendi, die beiden Achmed Agha, die zwei Selim Agha und sogar der Feldwebel, der den tödlichen Funken in der Gestalt eines Zündholzes in der Tasche trug. Abdahn Effendi stand mehrere Male vom Essen auf und ging hinaus und wieder herein. Er befand sich in großer Aufregung. Seine Hände zitterten. Sein Gesicht hatte einen blauaschfarbenen Schein. Er holte oft tief und röchelnd Atem und trank aber wohl gerade wegen dieser Aufregung den schweren Wein wie pures Wasser. Als wir beide fertig waren, stand ich auf und sagte:
»Wir gehen schlafen. Allah schenke euch allen
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