Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
ihrer Verletzungen darauf, die Sache gleich ein-für allemal, also gleich jetzt, zu Ende zu bringen, und so sehr ich sie aufforderte, sich zu schonen, sie führten es aus. Die Speisestube wurde zum Verhörzimmer, und die draußen in der vorderen Stube postierten Soldaten hatten die Aufgabe, dem, was die beiden Herren befahlen, Nachdruck zu geben.
Zunächst wurde der Basch Tschausch vernommen. Er wußte von nichts. Er sagte, er habe sich dort an der Ecke des Hauses eine kleine Sighara (Zigarette) anbrennen wollen, und da habe man ihn plötzlich gepackt, er wisse nicht, warum. Natürlich habe er sich gewehrt. Kein Mann aus Basrah und kein Mann aus Laristan habe ihm etwas zu befehlen. Er sei Basch Tschausch und gehorche nur Offizieren.
Jetzt begannen die Adjutanten einzusehen, wie fehlerhaft sie verfahren waren. Die anderen fünf Personen verhielten sich genau ebenso. Sie behaupteten, nichts zu wissen und nichts zu ahnen. Da griffen die beiden Befehlenden zu dem Mittel, auf dessen Wirkung sie sich so sehr verlassen hatten: Sie ließen die zwei früheren Kommandanten kommen. Der Müller begleitete sie. Aber auch das war vergeblich. Die Bande war nicht einmal überrascht, viel weniger erschrocken über das Erscheinen dieser ihrer alten Bekannten. Das Resultat der ganzen Untersuchung war, die Angeklagten heute einzeln einzusperren und sie morgen einzeln zu vernehmen. Nachdem die Adjutanten die hierzu nötigen Instruktionen erteilt hatten, wollten sie sich entfernen. Da rief mir Abdahn Effendi höhnisch zu:
»Nun, Sihdi, wo bleibt mein Wort und wo bleibt deine Drohung? Adjutant bist du nicht; das sehen wir nun! Also bleibt es beim Pferdedieb!«
Da wendete ich mich an die beiden Befehlenden:
»Geht hinauf nach den beiden Douanen, und steigt in die Brunnen! Da werdet ihr die Keller finden, welche von dem Gelde der Regierungen heimlich erbaut worden sind und nun voller Schmuggelwaren stecken!«
Die beiden Achmed Agha und die beiden Selim Agha schrien vor Schreck laut auf. Abdahn Effendi ließ ein tiefes, röchelndes Stöhnen hören. Ich fuhr fort:
»Und geht auf der türkischen Douane in die hintere, kleine Stube links, wo ein Herd zu finden ist. Da wohnt der Basch Tschausch. Das hintere Bein seiner Bettstelle ist hohl und mit einer dünnen Holzscheibe vernagelt, die man aber mit dem Messer leicht losmachen kann. Darin stecken aber die Beweise, daß diese Kerle hier ihre damalige Vorgesetzten ermordet haben!«
Zunächst klang ein vereinter, großer Schrei durch das Zimmer. Dann brüllte Abdahn Effendi den am Boden liegenden Feldwebel an:
»Das Bein, das Bein! Das also ist das Bein, das ich nie erraten konnte! Mensch, ich erwürge dich!«
Er wollte sich auf ihn stürzen, wurde aber von der Wache daran verhindert.
»Sihdi, bist du allwissend?« fragte der persische Adjutant erstaunt.
»Pah!« antwortete ich. »Tut erst das! Dann werdet ihr noch mehr erfahren!«
»Noch mehr? Noch mehr?« schrie der Dicke, indem sich sein Gesicht dunkel färbte. »Mensch, ich schlage dich tot, ich –«
»Schweig!« unterbrach ich ihn, denn nicht nur er wollte zu mir her, sondern auch die vier Agha machten Miene, aufzuspringen. Darum nahm ich meine Revolver heraus und legte sie vor mich hin. Halef zeigte sofort auch die seinen. Dann fuhr ich fort:
»Die beiden Kommandanten tun jetzt, was ich gesagt habe! Inzwischen werden diese Leute hier alle gefesselt! Einem jeden, der sich wehrt, schieße ich eine Kugel durch den Kopf!«
So geschah es! Die Kerls hatten Angst vor den Revolvern; sie ließen sich binden. Abdahn Effendi war so fürchterlich erregt, daß ich von Augenblick zu Augenblick einen Schlaganfall erwartete. Seine Brust bebte und keuchte. Seine Augen füllten sich mit Blut. Einmal stand er auf, öffnete den Mund, als ob er reden wolle; dann setzte er sich nieder und stöhnte:
»Nein, nein! Ich sage es nicht, ich sage nicht! Lieber sterbe ich – sterbe – sterbe, sterbe ich!«
Es dauerte lange Zeit, wohl bis eine Stunde vor Mitternacht, da kehrten die Adjutanten von ihrer Suche zurück. Sie jubelten.
»Wir haben alles gefunden, alles!« rief der türkische, und der persische fuhr schnell und ganz begeistert fort: »Die Beweise in dem Beine! Die Keller! Zwei vollständige Buchführungen! Und eine Menge von Pascherwaren im Werte von vielen Hunderttausenden!«
»Aber ich bin unschuldig, ich, ich, ich!« brüllte der Dicke. »Auf mich bringt ihr nichts, nichts, nichts!«
Da ging ich langsam nach dem Herde, nahm den Besen
Weitere Kostenlose Bücher