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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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diese Stufe, in der ich gerne verharren möchte, denn sie ist mental die einfachste. Die zweite Stufe ist die der Enttäuschung. In dieser Phase droht er seinen Untertanen. Die beste Drohung ist die, ihnen zu zeigen, was er mit denen anstellt, die ihm untreu geworden sind. Keiner könnte das besser verstehen als ich, der ich einer seiner Handlanger bin. Und die dritte Stufe ist jene, die das heutige Zielobjekt erreicht hat. Die Stufe des Atheismus, in der er den Herrn nicht mehr als Gott begreift, sondern als Speck, und sich als Made sieht, die sich am Speck bedienen darf. Auf dieser Stufe ist die Exekution der Weg zur Heilung. Der einzige Weg.
    Ich kehre zum Aston Martin der Zielperson zurück, starte ihn und fahre mit ihm zurück auf die Hauptstraße, stelle ihn einen Kilometer weiter hinter einem Fels ab und trabe im Laufschritt zu meinem Auto zurück, schließe es auf, und fahre nun mit dem Wagen in die andere Richtung. Dort gibt es einen kleinen Parkplatz, auf dem ich ihn abstellen kann, fast zwei Kilometer von der Stelle entfernt, wo seine Kleider liegen. Ich kann nicht erklären, warum ich tue, was ich jetzt tue, aber nennen wir es vielleicht Instinkt. Ich öffne den Kofferraum des Wagens, lege dort meine Pistole hinein und ziehe die Axt heraus, die ich heute im Baumarkt geholt habe. Warum ich sie gekauft habe, kann ich auch nicht erklären. Es war eben so. Vielleicht, weil ich ahnte, das eine Pistole an einem Meeresstrand gerne versagt, weil Sandkörner in die Waffe geraten, und die Salzluft auch nicht gut für den Mechanismus ist. Ganz stimmt das nicht. Ich wusste nicht, dass wir am Meer landen würden. Aber es regnete, als ich das Beil kaufte und im Baumarkt schleifen ließ, und die Gedanken waren ähnliche. Zurück zum Ausgangspunkt kehre ich ebenfalls im Laufschritt, die Axt in der Hand, laufe ein bisschen parodistisch wie einer, der über eine Bühne tänzelt, und muss mich zurückhalten, nicht zu singen. Dann habe ich den Strandabschnitt erreicht, und verhalte dort wie ein Dieb im Blickschutz der Sträucher, und als ich sehe, dass keiner da ist, mache ich mich wieder dorthin, wo das Kleiderbündel liegt, stütze die Axt auf und denke nach.
    Es ist zwei Uhr morgens, als ich nach einer neuerlichen Überprüfung der Verhältnisse – der Schwimmer ist nirgendwo zu sehen - ermüdet im Windwinkel einer Düne auf den Boden sinke, das Beil ablege und den Kopf auf die Hände stütze. Hier ist es warm, der Vergleich lässt die Nachtluft beinahe lau wirken. Das ist so unerwartet wie angenehm. Immer wieder einmal hebe ich den Kopf, spähe nach dem Kleiderhaufen, nach dem Meer. Die Müdigkeit wächst in mir, und hätte die Kälte des Bodens mich nicht nach wenigen Minuten hochgetrieben, hätte der Schlaf längst jedes Bewusstsein in mir ausgelöscht. Jetlag. Meine innere Uhr sagt mir, dass es Tag ist und dass ich eine Nacht übergangen habe, und das ist für einen wie mich, der gerne schläft, keine leichte Angelegenheit. Vielleicht bin ich innerlich zu ruhig, um wachbleiben zu können. Angsthasen oder Pflichtbewusste haben es hier leichter. Einmal halte ich mich für eingeschlafen, das ist eine eigenartige Stille. Die Nacht ist klar, unzählige wie Weintrauben zusammen gelagerte Sternhaufen scheinen so hell, dass das Meer vom Kontrast schwarz ist, und das Land vom Schimmer einer grauen, ausgleichenden Schicht überzogen. Es ist nun ruhig geworden, der Wind ist verhaucht, man könnte einen Augenblick meinen, das Meer bewege sich nicht mehr. Ich stehe auf, schaue wieder hinaus. Drei Stunden sind vergangen, seit die Zielperson den Strand verlassen hat. Ist es möglich, dass er woanders angelandet ist? Entweder das, oder er ist ertrunken. Ich setze mich wieder, lege mich dann, und schließe die Augen. Und dann bin ich weg. Tot für die Welt, aber mit Innenleben.
    Etwas später. Ich torkle in die Höhe und warte, bis das träge Blut in mir wieder zu fließen beginnt. Das Kleiderbündel liegt im Sand, sternförmig führen Schuhabdrücke von ihm weg. Es sind meine Spuren. Nackte Fußspuren laufen geradlinig zum Meer und werden an dessen Grenze abgeschnitten. Das sind seine Spuren. Ich hacke spielerisch mit der Schneide der Axt in diese Spuren hinein, verstreiche den Sand dann mit der Klinge.
    In diesem Augenblick höre ich ein Planschen. Ich kann meinen Ohren kaum trauen, aber in der völligen Stille des Meeres, die nun eingetreten ist, hört man das Geräusch eines Schwimmers. Reflexartig sinke ich zu Boden. Ganz weit

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