Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
Vom Netzwerk:
eine geheimnisvolle Kraft, die zu dieser Stunde erlahmt für die einen, den Träumern aber eröffnet sie eine unbegrenzte, fünfdimensionale Welt, deren letzte Dimension darin liegt, man selbst, aber auch jeder andere zugleich sein zu können. In dieser Dimension war Zek der andere, der gerade ertrunken war. Er spürte es, was es bedeutet, in der Kälte und Richtungslosigkeit des Meeres zu ersticken. Dieses Träumen in einer fünften Dimension mag dem anderen das Bild des Auftragskillers eingegeben haben, der hinten am Strand darauf wartet, dass er überlebt, um ihn dann zu töten. Wie ein Witz mag ihm das erschienen sein. Vielleicht starb er mit einem Lachen. Der Gedanke gab dem Erschöpften die Kraft zurück, wieder aufzuwachen und weiterzuleben. In einem anderen Leben, einer anderen Dimension, in deinem Leben, das er noch nicht verbraucht hatte. Er gab ihm die Kraft, die Welt zu verlassen, in der Zek lebte.
    Zek schraubte den Schalldämpfer seiner Waffe ab. Er drückte das Magazin heraus und verstaute alles in die Tasche seines Sakkos. Dann schob er am Kleiderhaufen den konfiszierten Autoschlüssel in seine Hosentasche.
    Am folgenden Nachmittag (sein Flug war verschoben worden, aus Gründen, die ihn nicht interessierten, aber die Tatsache freute ihn), kehrte er bei strömendem Regen an den Strand zurück. Er stand eine Weile vor dem aufgeweichten Kleiderbündel, an dessen Taschen sich ein Dritter zu schaffen gemacht hatte. Das Auto war weg, das hatte er schon gesehen, als er an die Düne herangefahren war. Auch die Brieftasche fehlte. Neben den Kleidern, Zek konnte es erst bei Tageslicht erkennen, lag auch das Toupet, braune, üppige Haare, innen Gummi. Das Bild sagte mehr als tausend Worte. Das Toupet war die zur Form gewordene Zwecklosigkeit, mit vorgehaltener Pistole diesem Menschen Zugeständnisse abverlangen zu wollen. Er hatte – hier grinste Zek – ja zumindest auf dem Kopf nichts mehr zu verlieren.
    Mit Schirm – in seinem konservativen, einfachen Anzug an einen Butler erinnernd, machte sich Zek dann auf einen Strandspaziergang. Es dauerte eine halbe Stunde, bis er die Leiche sah, die gerade dabei war, angetrieben zu werden. Wellen sogen an dem starren Körper, trieben ihn vorwärts, überspülten ihn. Es war ein kontemplativer Moment. Schon die Haltung des Selbstmörders beim Eintritt in die Wellen hatte etwas gehabt von der entseelten Wesenheit dieses Überbleibsels.
     
     
    Zek schreibt:
     
    Ich bin am Meer. Nachts am Meer. Es ist eine Zeit zwischen Schlafen und Wachen, und es ist hier zu laut und zu dunkel, um diese Stunde ganz real zu erleben. Ich zwinge mich zur Geduld in diesem ohrenbetäubenden Traum, ich verharre, bis ich sicher sein kann, dass die Vordersitze des Wagens der Zielperson leer sind, im Schutz eines Busches. Dann überprüfe ich die Hinterbank ihres Wagens. Ich merke, dass der Aston Martin unversperrt ist, und dass der Schlüssel im Zündschloss steckt. Ich ziehe ihn ab, verschließe den Wagen und schaue mich um. Diese Wendung der Geschichte gefällt mir. Eben noch schien mir die Zielperson zu entgleiten. Jetzt, wo er keinen Wagen mehr hat, mit dem er türmen kann, bin ich im Vorteil. Ich spüre, dass meine Nervosität nachlässt, dass ich guter Dinge werde. Es ist einer dieser Tage, an denen einem Alles leicht fällt. Ich spüre das jetzt. Ohne seinen Wagen kommt er hier nicht mehr weg. Ich aber schon. Um uns herum ist nichts. Völlige Wildnis. Steinwüste und Meer. Manchmal, auf der großen Straße, kommen noch Autos durch, die ganz woanders hinfahren und uns nichts angehen. Das ist okay. Und er kann versuchen, meinen Wagen aufzubrechen, wenn er ihn finden sollte. Aber all das sind bereits Möglichkeiten, die man nicht mehr als Vorteile beschreiben kann. All das findet höchstens als Komödie statt, solange ich da bin, um ihn daran zu hindern. Und selbst wenn er es schaffen würde, hätte er keinen Schlüssel, und so leicht kurzschließen kann man heute einen Wagen nicht mehr. Ich wüsste selbst nicht, wie man das macht.
    Wo ist er nun? Es ist denkbar, dass mein Ziel "ausgetreten" ist, und seelenruhig seine Blase entleert. Dann aber könnte er mich bemerkt haben, beim Zurückkommen; also ziehe ich mich jetzt ebenfalls vorsichtig vom Wagen zurück, schlage einen Haken und gelange auf eine Bodenerhebung, von der aus das Meer sichtbar ist. Das große, breite, schwarze Meer. Dort zeichnet sich ein heller Fleck ab, von dem ich augenblicklich begreife, dass es sich dabei um mein Ziel

Weitere Kostenlose Bücher