Abdruecker (Splattergeschichten)
und Bein, und so gelangt man in diesen Kopfschmerz hinein und in das Völlegefühl im Kopf, und zuerst glaubt man, man werde schön langsam mürbe, aber dann merkt man erst, man kann nicht mehr richtig reagieren, man ist kraftlos, willenlos, und da ist nur mehr der Schmerz. So ist der Start in einer Rakete, eine Operation, von der man Migräne bekommt.”
„ Und dann?“
„ Als nächstes wird man weltraumkrank. Das dauert vielleicht ein, zwei Tage. Bei jeder Bewegung wird einem mulmig. Aber dann beginnt man es schön langsam zu genießen. Es ist wie in einem Traum, in dem man leichter und leichter wird und dann beginnt man zu schweben. Es gibt kein Oben und kein Unten mehr. Es gibt kein Außen mehr, nur mehr einen selbst. Man spürt sich viel intensiver. So intensiv, wie man sich noch nie gespürt hat. Man gewöhnt sich daran. Wenn man zurückkommt auf die Erde, und man spürt, wie die Wangen vom Gesicht herunterhängen, das ist hart. Man versucht, aufzustehen, und der Körper fällt zurück wie ein nasser Sack. Der Stehtest ist am Anfang so schlimm, das ist direkt eine Folter. Man muss da bewegungslos stehen bleiben, bis einem schwarz vor den Augen wird. Ich habe vier Wochen gebraucht, bis ich gerade laufen konnte. Ja, gut, die anderen waren noch schlimmer dran.”
Ich höre ihr zu, bis sie nichts mehr sagt. Der Eindruck, dass Sie keine Rolle spielt, sondern etwas Authentisches aus ihr hervorbricht, verstärkt sich. Trotzdem bin ich überrascht, als sich Jeka nach vorne beugt und mich bittet: „Komm, halt mich.”
Ich gehe auf sie zu. Sie ist aufgestanden, breitet die Arme aus und umarmt mich. Hängt auf mir etwas drauf, drückt mich an sich. Dann löst sich ihr Gesicht und ist ganz nah an meinem. Sie hat den Mund leicht geöffnet, und ich rieche Alkohol und das Aroma des Wodka und etwas Feminines, das ihr selbst gehört. Jeka trägt kein Parfüm, verwendet nur eine an Milch erinnernde Seife. Ihre Oberlippe ist feucht von winzigen Schweißperlen. „Weißt du, wer der Mann war, den du getötet hast, damals in Deutschland?“
„ Ein Kollege von dir?“
„ Ich bin mit ihm oben gewesen, drei Mal. Ich habe mit ihm am Liebsten zusammengearbeitet. Er war ein schöner Mensch, innen wie außen.“
„ Warum musste er sterben?“
„ Er hat seine Geheimnisse verkauft. An die falschen Leute.“
„ Was für Geheimnisse?“
Sie schüttelt den Kopf, als könne sie nicht glauben, dass ich danach frage. Ihr Blick ist draußen im Nachthimmel, den man von hier oben wunderbar sehen kann. Wir haben uns noch nicht geküsst. Ich weiß nicht, warum. Aber es kann warten.
„ Am liebsten wärst du wohl wieder da oben”, sage ich.
Jeka schüttelt blind den Kopf. Und dann drückt sie ihn an mich, legt ihre Wange an meine. „Nein, es ist nur manchmal”, haucht sie, ganz nahe an seinem Ohr. Es ist ein Augenblick der Stille.
Sie macht das Licht aus. Wir legen uns auf das Bett. Liegen eng zusammen.
„ Ich bin süchtig danach”, sagt Jeka nach einer Weile.
„ Wonach?“
„ Ich vermisse es, wie die Welt funktioniert da oben. Ich komme hier herunten damit so schlecht zurecht.”
„ Was meinst du damit?”
Meine Stimme ist halblaut und weich. Es hat mit ihrem Duft zu tun, oder mit ihrem Körper.
„ Ach nichts. Ganz allgemein”, sagt Jeka, fast flüsternd.
„ Zum Beispiel?”
„ Ach. Ich bin eine Bewohnerin des Weltalls. Es ist meine Heimat.“
Ich sage dazu nichts. Wenn man von hier schräg aus dem Fenster schaut, blickt man geradewegs in den Himmel, und sieht von oben auf das Meer, das sich in winzigen Wellchen kräuselt.
„ Es gibt da so Phänomene, die gibt es auf der Erde gar nicht“, fährt sie fort. „Man schläft, und dann ist da plötzlich so ein Lichtblitz, vor allem, wenn du über Südost-Amerika fliegst.”
„ Ja? Und was ist das?”
„ Also die Theorie ist die, es sind hochenergetische Elementarteilchen. Sie kommen aus dem Weltraum und werden vom Erdmagnetfeld abgelenkt. Aber weil das Magnetfeld über Argentinien schwach ist, können sie dort die Flugbahn von Raumschiffen kreuzen.”
„ Und was sind das für Teilchen?”
„ Protonen, die meisten. Die Schwerelosigkeit macht auch Probleme. Es ist irrsinnig schwierig, zu schlafen, wenn man nicht etwas Festes hat, auf das man seinen Kopf legen kann. Und doch fühlt man sich wahnsinnig wohl, geborgen, wie ein Kind vor der Geburt.”
„Schön”, sage ich.
„ Ja.”
„ Und dann kannst du beim Essen einfach was ausgießen, das fließt
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