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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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tränenloser, aufrechter Haltung mit ihrem salutierenden kleinen Sohn da gestanden – so sollte es sein, das war der höchsten Bewunderung wert. Dagegen Begräbnisse im Orient, im Fernsehen konnte man es erleben, Frauen, die gellend schrieen, das Gesicht verzerrten und um sich schlugen …
    Was hatte er eigentlich als Letztes zu seiner Mutter gesagt? Wenn sie schon bewusstlos war, welches waren seine letzten Worte zu ihr gewesen? Es fiel ihm nicht ein, es musste belanglos gewesen sein. Nie ein Abschied im Bösen, das immerhin hatte er sich zur Regel gemacht.
    Jetzt lag links das Krankenhaus vor ihm, und Danzik bog ab von der Rodigallee. Ich muss da durch, dachte er.
    Der Vorhang war aufgezogen, seine Mutter lag gleich in der ersten Kabine. Sie hielt ihre Handtasche über die Brust gepresst und sagte in leidendem Ton: »Da bist du ja endlich.«
    »Sie sind der Sohn?«, sagte der junge Arzt, der plötzlich neben ihn getreten war. »Da sind Sie ja endlich.«
    Danzik spürte eine Aufwallung von Zorn, ging aber über die Bemerkung des Arztes hinweg. Stattdessen wandte er sich nach rechts und begrüßte die Nachbarin seiner Mutter, die zusammengekrampft auf einem Stuhl saß.
    Der Arzt sagte: »Ihre Mutter ist hier mit Herzrhythmusstörungen und Angstzuständen eingeliefert worden. Hat sie schon öfter mal über Herzrasen geklagt?«
    »Nein, nie.«
    Gerda Danzik sah ihren Sohn an, in ihrem Blick lag wütender Protest. Sie wollte etwas sagen, unterließ es aber. »Nun, wir haben alles durchgecheckt und nichts Pathologisches gefunden. Ihre Mutter hat eine Beruhigungsspritze bekommen, das Herz arbeitet wieder ganz normal. Sie können Ihre Mutter also nach Hause bringen. – Hier« – der Arzt überreichte Danzik einen Umschlag – »das ist der Bericht für den Hausarzt.«
    »Danke.« Danzik nahm verblüfft den Umschlag und starrte dem Arzt hinterher, der um die Ecke in den Gang verschwand.
    Er schaute unschlüssig von seiner Mutter zu der Nachbarin und wieder zurück. Dann wandte er sich doch zuerst an die hilfsbereite Frau. »Danke, Frau Burmester, dass Sie sich um meine Mutter gekümmert haben.«
    »Da nich für. Ist doch selbstverständlich.« Die dicke, etwa 30-jährige Frau im schmuddeligen beigen Popelinemantel entspannte sich und wurde nun, da die autoritätsgebietende ärztliche Aura nicht mehr vorhanden war, geradezu gesprächig. »Also, es hat bei mir geklingelt, und da seh ich, es ist Ihre Mutter. Ich meine, sie klingelt ja sonst nicht bei mir. Da haben bei mir natürlich gleich die Alarmglocken geläutet. Sie sah wirklich furchtbar aus, sie konnte ja auch kaum noch sprechen, und dann die Hautfarbe, ich sag Ihnen, Herr Danzik –«
    »Nochmals Dank, Frau Burmester.« Danzik drehte sich zu seiner Mutter, die empört zur Decke blickte. »Und erst die Augen. Ich hab mich furchtbar erschrocken. Jedenfalls hab ich sofort den Rettungsdienst angerufen, und die waren ja auch gleich da, und dann hab ich noch die Sachen Ihrer Mutter zusammengepackt, denn schließlich weiß man ja nie, wie lange so ein Aufenthalt –«
    »Das haben Sie sehr gut gemacht, Frau Burmester. Wo sind denn die Sachen jetzt?«
    »Dort im Schrank.« Die Nachbarin erhob sich. »Bleiben Sie nur sitzen.«
    Danzik ging zum Schrank, fand darin einen Plastikbeutel und stopfte alles hinein: Schuhe, Kulturtasche, Wäsche, einen braunen Rock, eine gelbe Bluse -»Halt«, rief Frau Burmester. »Ihre Mutter muss sich doch wieder anziehen.«
    »Ach, ja.« Danzik blickte zum Bett und bemerkte das weiße Krankenhaushemd, das seine Mutter trug. Er hielt noch immer die Schranktür fest. Drinnen baumelte der moosgrüne Nylon-Morgenrock, den er an seiner Mutter so hasste. »Ich helfe Ihnen.« Frau Burmester war schon aufgesprungen, drängte ihn zur Seite und nahm BH und Oberbekleidung heraus. Sie fing an, bei Gerda Danzik die Schlaufe des Nachthemdes zu lösen. »Sie gehen am besten auf den Flur, Herr Danzik. Ach, was sind Männer doch unbeholfen.« Sie scheuchte ihn vom Bett weg, und er zog von außen den Vorhang zu.
    Gerda Danzik wand sich unter Stöhnen in ihre Sachen. Ihr Stöhnen schwoll zu einer Lautstärke, die ihr Sohn auf jeden Fall hören musste. »Wir können«, sagte Frau Burmester und machte den Vorhang auf. Sie hakte Gerda Danzik unter und wies auf den Plastikbeutel auf dem Bett. Danzik nahm ihn und hakte seine Mutter auf der anderen Seite unter. Zu dritt bewegten sie sich schrittchenweise auf den Ausgang zu. »Nun mal tüchtig Luft holen«, sagte die

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