Abendland
Staaten von Amerika. Deshalb die Frage: Wollen Sie bei uns einsteigen?«
»Das kommt darauf an, welche Arbeit Sie für mich vorgesehen haben.«
»Schreiben natürlich.«
»Für Zeitungen«, präzisierte Sarah Jane. »Sie schreiben, und wir hängen unser Logo an.«
»Und einen Kasten, in dem unsere Arbeit vorgestellt wird«, ergänzte Fabian.
»Klingt interessant«, sagte ich, bemühte mich um einen geschäftlichen Ton.
»Und Sie meinen«, nahm Sarah lächelnd diesen Ton auf, »Ihre Arbeit bei uns einbringen zu können?«
» Meine Ideen«, sagte ich – betonte das »meine«, um anzudeuten, daß meine Arbeit durchaus auf der gleichen Stufe mit der Arbeit von Mr. Lomax zu sehen sei –, »entsprechen durchaus Ihren Absichten, denke ich«, und spann den Faden weiter, den Maybelle zu drehen begonnen hatte: »Ich denke an eine Serie von Doppelporträts …« – beim S des Wortes Serie fiel mir der alte Plutarch mit seinen Doppelbiographien über Theseus und Romulus, Coriolan und Alkibiades, Demosthenes und Cicero, Cäsar und Alexander und all die anderen ein, der mir schon einmal Brot gebracht hatte, als ich aus seinen Büchern ein Dutzend Sendungen für den Hessischen Rundfunk bastelte – »… jeweils ein amerikanischer Musiker soll einem anderen Musiker aus der weiten Welt gegenübergestellt werden …« – den Begriff »weite Welt« wählte ich absichtlich, nämlich um darauf hinzuweisen, daß ich kein Reporter sei, sondern ein Poet, der auch in einem nüchternen Geschäftsgespräch nicht ohne Poesie auskomme – »… ich denke dabei an zehn bis zwölf solcher Paar-Erzählungen …« – double-tales – wunderbar flutschte dieses Wort heraus, als wäre es in der Fachwelt ein fixer Begriff – »… die schließlich zu einem Buch zusammengefaßt werden sollen …« – Maybelle blickte vor sich ins Leere. »Mrs. Houston und ich arbeiten schon seit geraumer Zeit zusammen. Sie besorgt die Übersetzungen. Ich glaube, wir beide sind gut aufeinander eingespielt.«
Ich getraute mich nicht, Maybelle anzusehen, weil ich fürchtete, ich könnte herausplatzen. Sie hatte bisher geschwiegen, nun sagte sie: »Mr. Lukasser wird sich die Geschichten natürlich nicht aus der puren Luft saugen, wir werden zusammen einige Originalschauplätze ansehen müssen. Das heißt, Spesen werden anfallen.«
»Das läßt sich einrichten, davon bin ich überzeugt«, sagte Fabian.
»Das ist das mindeste«, präzisierte Sarah Jane eifrig.
»Wir werden viel unterwegs sein«, sagte ich – und in vielen Motels Nächte und Tage im Bett verbringen und uns unseren Leibern überlassen, die so viel Freude aneinander haben, dachte ich.
Die McKinnons luden Maybelle und mich in ihr Büro ein: Mr. Lomax sei zur Zeit nicht in New York, er sei mit einem Kamera- und Aufnahmeteam in der Karibik unterwegs. Als wir die Räume im sechsten Stock, 450 West, 41. Straße betraten, krampfte sich mein Herz zusammen. Gleich der Eingangstür gegenüber hing ein riesiges Bild von meinem Vater an der Wand – es war natürlich nicht mein Vater, es war Woody Guthrie …
Hatte Carl zu Beginn meiner Erzählung noch eine Miene aufgesetzt, die deutlich verkündete, hier werde lediglich ein Versprechen eingehalten, war er bald in Unruhe geraten, ja, in Aufregung, und schließlich unterbrach er mich im Tonfall bitteren Selbstvorwurfs – schlecht gespielt übrigens, wahrscheinlich sogar absichtlich schlecht gespielt:
»Mein Gott, wie hätte ich ahnen sollen, daß du so einsam warst in Amerika! Ich sehe dich durch New York gehen, wo ich so ein verrücktes Leben geführt habe. Nicht eine Stunde war ich allein gewesen. Das ist mir nie gelungen. Im Leben nicht einmal!«
Frau Mungenast, die gerade im Zimmer war, weil sie die Abrechnung für den vorangegangenen Monat fertig hatte und auf eine Gelegenheit wartete, mit Carl darüber zu sprechen, sagte, als sprächen wir – Carl, sie, ich – von jemandem, der nicht anwesend, der vielleicht überhaupt schon aus der Welt war: »Nein, das kann er nicht. Das kann er wirklich nicht. Er will, daß alle Türen offen sind. Und wenn ich in der Küche sitze und etwas lese, bittet er mich herüberzukommen, und wenn ich sage, ich möchte lieber allein sein, wenigstens eine Stunde, befiehlt er, ich soll Geräusche machen. Also schalte ich das Radio ein. Aber das genügt ihm nicht. Das Radio würde ja auch Musik spielen, wenn niemand in der Küche säße. Dann klappere ich halt mit der Teetasse oder mit den Töpfen. Oder ich huste. Aber
Weitere Kostenlose Bücher