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Abendland

Abendland

Titel: Abendland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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nicht ein Wort wahr.) Die jüdische Zeitung The Forward stellte gar in Aussicht, meine Geschichten in den drei verschiedenen Ausgaben des Blattes, auf russisch, jiddisch und englisch abzudrucken, vorausgesetzt, zwei oder drei der Musikanten, von denen ich erzählen werde, seien Juden.
    »Viel zahlen kann keine von denen«, sagte Fabian. »Aber wenn du alles zusammenrechnest, schaut auch fast so viel heraus, wie wenn die großen Zeitungen deine Geschichten nähmen. Außerdem würden die auf Exklusivität bestehen.«
    In meinem Notizheft finde ich folgende Aufstellung:
  
Capital Times ...........................................................
 
55 Dollar
  
Baltimore Sun ...........................................................
 
50 Dollar
  
Boston Herold ...........................................................
 
60 Dollar
  
Chicago Sun Times ...................................................
 
40 Dollar
  
Detroit Free Press .....................................................
 
40 Dollar
  
The Sacramento Bee .................................................
 
40 Dollar
  
Christian Science Monitor ........................................
 
80 Dollar
  
Washington Journal ..................................................
 
ohne Honorar
  
New Yorker Staatszeitung .........................................
 
40 Dollar
  
The Forward .............................................................
 
ohne Honorar
    Von den Zeitungen aus Maine, North Dakota, Ohio und New Hampshire gab es ebenfalls kein Honorar. Zusammen ergab das 405 Dollar in der Woche, 1620 Dollar im Monat. Mr. Albert wollte 200 Dollar für das Zimmer haben, unter gar keinen Umständen mehr. »Sonst muß ich Sie bitten auszuziehen.« Maybelle bestand darauf, daß ihr Beitrag an The Musicians nicht mehr als 100 Dollar wert sei. Also würden mir 1320 Dollar im Monat bleiben. Auf eine Ebene mit den Vanderbilts würde mich das nicht heben, aber wohlhabend würde ich sein, jedenfalls für meine Begriffe, die, zugegeben, bescheiden waren.
    Wenige Wochen, nachdem ich die McKinnons kennengelernt hatte, standen sie eines Nachmittags in The Best of Chicken Bones und klingelten, und als mich Mr. Albert herunterrief, empfingen sie mich mit ausgebreiteten Armen. Sarah Jane trug ein Kostüm – ich kannte sie nur in Hosen –, eine Kombination in Taubenblau und Umbra, was ihr eine Aura bürgerlicher Distinktion verlieh und so gut zu ihrer blonden Erscheinung paßte, daß ich den Verdacht hatte, dies wäre eigentlich ihr normales Outfit und die Jeans und den Pullover hätte sie geliehen, um sich näher bei den singenden Schichten zu fühlen. (Tatsächlich erfuhr ich später, daß Sarah Jane der Sproß eines einflußreichen Industriellenclans britischer Herkunft sei, sich allerdings bereits mit Sechzehn nach Kalifornien abgesetzt habe, wo sie erst zum Hippietum, dann unter dem Einfluß von Angela Davis zum Kommunismus und schließlich zur aufgeklärten Volkskunde konvertiert sei.) Fabian war verlegen, seine ausgebreiteten Arme hingen in der Luft wie an den Ärmeln aufgehängt, sicher hatte ihn seine Frau überredet mitzukommen. Und das alles, weil sie mir mitteilen wollten, daß es dank Mr. Lomax’ Namen und Kredit in kürzester Zeit gelungen sei, mir eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für das Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika zu besorgen.
    »In ein paar Jahren gibt man dir die Greencard«, sagte Fabian.
    »Und in ein paar weiteren Jahren bist du Amerikaner«, strahlte Sarah Jane.
    »Wenn Mr. Lukasser das wünscht«, sagte Mr. Albert, und ich war ihm sehr dankbar dafür.
    Ich verfiel in eine Arbeitswut, die mir selbst unheimlich war. Die Vormittage verbrachte ich meistens im Hunter College oder in der Public Library an der Fifth Avenue, wo ich weiter den Hintergrund zu meinen Geschichten recherchierte oder einfach nur verschiedene Tageszeitungen las (am 22. Jänner 1983, daß der brasilianische Fußballstar Garrincha im Alter von neunundvierzig Jahren an einer Alkoholvergiftung gestorben war, verarmt, vereinsamt, verwirrt). Mittags trafen Maybelle und ich einander in unserem Park oder, was immer öfter der Fall war, in einer Cafeteria in der Nähe der Bibliothek; gegen Mittag fuhren wir gemeinsam mit der Subway nach Brooklyn. An den Nachmittagen schrieb ich. Ich schrieb, bis ich in der Nacht das Steinchen an meinem Fenster hörte.
    Um meine Zeitökonomie zu kontrollieren, notierte ich neben den Ergebnissen

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