Abendruh: Thriller (German Edition)
Hinterkopf. »Sie lassen jetzt Ihre Waffen fallen. Alle beide.« Das schleppende Genuschel, die nachlässige Ausdrucksweise – alles schlagartig verschwunden. Seine Stimme war jetzt eiskalt und präzise.
Jane ließ ihre Glock auf den Boden fallen.
»Sie auch, Detective Frost!«, kommandierte der Mann.
Er kennt unsere Namen.
Die zweite Waffe landete mit einem dumpfen Knall auf dem Boden. Denzel packte Jane an der Jacke und zwang sie mit einem Stoß auf die Knie. Die Waffe hielt er immer noch an ihren Kopf gepresst, so fest, dass es sich anfühlte, als wollte er ihr ein Loch in den Schädel bohren. Wer würde ihre Leichen in dieser Ruine finden? Es könnten Tage, ja Wochen vergehen, ehe irgendjemandem ihr verlassenes Fahrzeug auffiel. Ehe jemand auf die Idee kam, den Besitzer des Wagens zu ermitteln.
Frost fiel neben ihr auf die Knie. Sie hörte das Piepsen der Wahltasten eines Handys, und dann sagte Denzel: »Wir haben ein Problem. Soll ich es gleich erledigen?«
Sie schielte zu Frost hinüber und sah die Panik in seinen Augen. Wenn sie sich zur Wehr setzen wollten, war dies ihre letzte Chance. Zu zweit gegen einen bewaffneten Mann. Einer von ihnen würde mit ziemlicher Sicherheit eine Kugel abbekommen, aber der andere könnte es schaffen. Tu es jetzt, solange er noch telefoniert und abgelenkt ist. Sie spannte die Muskeln an, holte Luft – vielleicht ihr letzter Atemzug. Umdrehen, die Pistolenhand packen und wegstoßen …
Schritte hallten auf der Treppe, und plötzlich spürte Jane die Mündung nicht mehr am Kopf. Denzel trat ein paar Schritte zurück und nahm ihr damit jede Chance, ihm die Waffe zu entwinden.
Die Schritte kamen die Treppe herauf und auf sie zu. Sie hörte das harte Klackern von Absätzen auf dem Holzboden.
»Tja, das ist allerdings ein Problem«, ertönte eine erschreckend vertraute Stimme. Eine weibliche Stimme. »Sie können beide aufstehen. Ich glaube, es ist Zeit, die Masken fallen zu lassen.«
Jane richtete sich auf. Als sie sich umdrehte, blickte sie in das Gesicht von Carole Mickey. Aber es war nicht die Blondine mit der Haarspray-Frisur, die sich im Büro von Leidecker Krankenhausbedarf als Olivia Yablonskis Kollegin ausgegeben hatte. Diese Frau trug eine elegante Bluejeans und schwarze Stiefel, und anstelle der matronenhaften Lackfrisur hatte sie das blonde Haar zu einem festen Pferdeschwanz gebunden, der ihre ausgeprägten Wangenknochen betonte. Früher war sie wohl einmal eine umwerfende Schönheit gewesen, doch die Jahre hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, in den Fältchen, die von den Augenwinkeln ausstrahlten.
»Ich nehme an, es gibt gar keine Firma namens Leidecker Krankenhausbedarf«, sagte Jane.
»Selbstverständlich gibt es die«, erwiderte Carole. »Sie haben doch unseren Katalog gesehen. Wir führen die neuesten Modelle von Rollstühlen und Duschsitzen.«
»Verkauft von Vertretern, die nie im Büro zu sein scheinen. Existieren sie überhaupt, oder sind sie alle wie Olivia Yablonski rund um den Globus für die CIA im Einsatz?«
Carole und Denzel wechselten einen Blick.
»Das ist ein gewaltiger logischer Sprung, Detective«, sagte Carole schließlich, doch die kurze Pause, die ihrer Antwort vorausging, verriet Jane, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
»Und Ihr Name ist nicht wirklich Carole, oder?«, sagte Jane. »Denn ich weiß , dass seiner nicht Denzel ist.«
»Vorläufig tun diese Namen es auch.«
Denzel sagte: »Sie haben mich nach Nicholas Clock gefragt …«
»Natürlich. Sie sind ja nicht blöd.« Carole hob die Waffen vom Boden auf und gab sie Jane und Frost zurück. »Deswegen habe ich beschlossen, dass es an der Zeit ist zusammenzuarbeiten. Meinen Sie nicht auch?«
Jane nahm ihre Glock und überlegte einen Moment lang, die Waffe auf Carole zu richten und ihr zu sagen, sie solle diesen Unsinn von wegen »zusammenarbeiten« ganz schnell vergessen. Diese Leute hatten sie mit der Waffe bedroht, hatten sie und Frost gezwungen, sich hinzuknien, in sicherer Erwartung des Todes. Nach so etwas konnte man sich nicht so einfach die Hand reichen und sich wieder vertragen. Aber sie schluckte ihre Wut hinunter und schob die Waffe ins Holster. »Wie kommt es eigentlich, dass Sie hier sind?«
»Wir wussten, dass Sie hier auftauchen würden. Wir beobachten Sie schon länger.«
»Das ist genau wie bei dieser Leidecker-Firma«, sagte Frost. »Noch so ein Scheinunternehmen, wobei das hier als Tarnung für Nicholas Clock diente.«
»Und hier würden sie
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