Abendstern - Roman
trennte ich mich von ihm.«
Sie stieß die Luft aus. Es war nicht angenehm, sich daran zu erinnern, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte. »Als ich es ihm sagte, war er eher verärgert als traurig, das machte mir klar, dass ich das Richtige getan hatte. Aber das bedeutete natürlich auch, dass ich vorher das Falsche getan hatte, und das schmerzte. Als ich ihm dann vorschlug, er solle seinen Freunden sagen, er hätte die Sache beendet, nahm er es ein bisschen leichter. Ich gab ihm den Ring zurück, und unsere Wege trennten sich.«
»Er hat dir nicht wehgetan.«
»Oh, Cal.« Sie streichelte ihm über die Wange. »Nein. Die Situation schmerzte, aber er hat mich nicht verletzt. Auch einer der Gründe, warum ich wusste, dass er nicht der Richtige war. Bei dir ist das anders. Bei dir
weiß ich, dass du mir wehtun könntest, deshalb weiß ich auch, dass du der Richtige bist.« Sie schlang die Arme um ihn und küsste ihn. »Das jagt dir wahrscheinlich ziemliche Angst ein.«
»Ja, entsetzlich.« Er zog sie an sich. »Es hat noch nie eine Frau in meinem Leben gegeben, die mir so viele schlimme Momente wie du beschert hat.«
»Es freut mich, das zu hören.«
»Das habe ich mir gedacht.« Er drückte seine Wange an ihren Scheitel. »Ich möchte jetzt gerne ein oder zwei Stunden lang so stehen bleiben. Aber ich muss arbeiten und du auch.« Er umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie zärtlich. »Deine Schokolade wird kalt.«
»Schokolade hat immer die richtige Temperatur.«
»Was habe ich eben noch mal gesagt? Du hast mir gefehlt. Das ist die absolute Wahrheit.«
»Ich glaube, ich kann ein bisschen Luft in meinem vollen Terminkalender schaffen.«
»Heute Abend muss ich arbeiten. Aber vielleicht kannst du ja vorbeikommen. Dann gebe ich dir noch mal Bowlingunterricht.«
»In Ordnung.«
»Quinn, wir - wir alle - müssen reden. Und zwar so bald wie möglich.«
»Ja. Ach, eins noch, bevor du gehst. Wird Fox Layla den Job anbieten?«
»Ich habe es ihm gesagt. Aber ich spreche ihn noch einmal darauf an.«
»Danke.«
Als sie alleine war, nippte Quinn nachdenklich an
ihrer lauwarmen Schokolade. Männer, dachte sie, waren interessante Geschöpfe.
Cybil kam herein. »Alles klar?«
»Ja, danke.«
»Kein Problem.« Sie öffnete einen Schrank und nahm eine Dose mit ihrem Jasmintee heraus. »Willst du darüber sprechen?«
»Ja. Er war aufgewühlt, weil ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn liebe.«
»Wütend oder panisch?«
»Irgendwie beides. Oder vielleicht eher besorgt, weil wir doch diese angsterregende Situation bewältigen müssen.«
»Na ja, aber deine Liebeserklärung ist sicher das, was ihm am meisten Angst macht.« Cybil goss Wasser in die Teekanne. »Wie geht es dir dabei?«
»Es ist … toll«, erwiderte Quinn. »Es erfüllt mich mit Energie und Freude. Weißt du, mit Dirk war alles so …« Sie streckte die Hand aus und machte eine abwägende Geste. »Das hier ist viel aufregender. Er hat gesagt, er habe es sich noch nie erlaubt, über Liebe, Heirat und Familie nachzudenken.«
»Wow, alles auf einmal.«
»Ja, genau. Er hat nicht gemerkt, dass ich vor Schreck fast zusammengezuckt bin, als er Heirat gesagt hat.«
»Na ja, so ganz aus der Fassung gebracht hat es dich aber nicht.« Cybil maß Tee ab.
»Nein, du kennst mich ja. Letztlich gefällt mir die Vorstellung, das alles mit Cal zu erleben. Der Mann hat jetzt ein Problem«, murmelte sie und trank noch einen Schluck Schokolade.
»Du auch, Q. Andererseits haben dir Probleme immer gut gestanden.«
In diesem Moment läutete das Telefon in der Küche. Quinn nahm sofort ab. »Hallo. Hallo, Essie. Oh. Wirklich? Nein, wunderbar. Das ist perfekt. Vielen Dank. Ja, das tue ich. Danke. Tschüs.« Grinsend legte sie auf. »Essie Hawkins hat uns ins Gemeindezentrum eingeschleust. Dort wird heute nicht gearbeitet, wir können nach Herzenslust herumstöbern.«
»Na, was für ein toller Spaß«, sagte Cybil trocken.
Quinn schloss die Tür zur alten Bibliothek auf. »Oberflächlich betrachtet sind wir hier, um in einem der ältesten Gebäude der Stadt, dem Heim der Familie Hawkins, zu recherchieren. Aber …« Sie schaltete das Licht ein. »Hauptsächlich suchen wir nach Schlupflöchern. Einem Versteck, das übersehen wurde.«
»Dreieinhalb Jahrhunderte lang«, kommentierte Cybil.
»Wenn man etwas in fünf Minuten übersieht, kann es für immer übersehen werden.« Quinn schürzte die Lippen. »Das Gebäude wurde modernisiert, als es in eine
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