Abenteuer des Werner Holt
hatte er sich nicht abbringen lassen, auch nicht, als man drohte, die Wahrheit gewaltsam aus ihm herauszuholen. Dann war er in eine Kellerzelle gesperrt, nach zwei Stunden aber wieder herausgeholt und abermals vor den Obergruppenführer geführt worden. Inzwischen mußte schon ein Anruf aus Berlin vorgelegen haben, denn man behandelte ihn nun wesentlich sanfter. Wenn er den wahren Grund angebe, warum er den Posten bedroht habe, so könne er nach Hause gehen. Wolzow hatte sich erinnert, daß die SS-Leute am Abend vorher in der Kantine zusammengesessen und dort auf laute und rohe Weise über ihre Mädchen gewitzelt hatten. Dies gab er nun als Grund an. Die Schmähungen der SS-Leute gegenüber deutschen Frauen seien es gewesen, erklärte er, die ihn bewogen hätten, sich einige SS-Leute einzeln vorzuknöpfen, jedoch sei es dann am anderen Morgen bei dem einen geblieben. Man nahm diese Antwort zu Protokoll, auch Wolzows Bemerkung, die Anzeige sei ein »hundsgemeiner Racheakt«. »Na, und dann haben sie mich eben entlassen«, schloß er seine Erzählung. »Der Obergruppenführer hat mich noch furchtbar angebrüllt, ich soll meine Rauflust im Zaum halten, bis ich an der Front bin.«
»Du bist ganz korrekt behandelt worden?« fragte Gomulka gespannt. Wolzow sagte: »Ja. Aber im Keller, da haben die ein paar Typen als Schließer, Mensch, richtige Zähneeinschläger!«
Holt sagte: »Ich hatte Angst, du könntest mich verraten!« – »Wenn du wieder so eine verrückte Idee hast, dann such dir dazu einen andern!« fuhr Wolzow ihn an. »Von deiner Humanitätsduselei hab ich genug. Nimm dir ein Beispiel an Ziesche! Wenn’s drauf ankommt, hat der mehr soldatische Härte als du!«
Kutschera schimpfte am anderen Tag vor versammelter Mannschaft über »die verdammte Händelsucherei von dem Wolzow«.Tage später erhielt Wolzow einen wütenden Brief seines Onkels, darin er und seine Freunde mit groben Worten aufgefordert wurden, »derartige anrüchige Scherze ein für allemal zu unterlassen«. Damit war die Angelegenheit abgetan.
Die Julitage reihten sich aneinander, trocken und heiß, dann diesig und trübe. An einem regnerischen Tag wurde die Batterie zum zweiten Male von Tieffliegern angegriffen. Eine Kette Mustang-Jagdbomber stürzte sich auf die Geschütze Dora und Cäsar. Der Sachschaden war gering. Aber zwei Tote und sechs Schwerverwundete blieben liegen. Gomulka sagte: »Das ist alles erst der Anfang. Verlaß dich drauf!«
12
»Holt«, sagte Gottesknecht eines Tages, »verdient haben Sie’s nicht, aber ich gebe Ihnen einen guten Rat. Reichen Sie sofort ein Urlaubsgesuch ein, Sie und Wolzow, auch Gomulka, ehe es zu spät ist! Wie’s mit unserer Mannschaftsstärke aussieht, das wissen Sie. Noch ein paar Ausfälle, und mit Urlaub ist’s vorbei!«
Über dem Ruhrgebiet lag eine Hitzewelle. Dunst verschleierte die Mittagssonne. Türen und Fenster der Baracke standen offen, aber kein kühlender Luftzug strich durch die überhitzten Stuben. »Wir sollen den Chef gleich um Urlaub angehn«, sagte Holt. Gomulka rief: »Still!« Wolzow las aus der Zeitung vor: »… ›und so wird die Schlacht im Osten immer mehr zur großen Bewährungsprobe der Einzelkämpfer. Den Vorstößen schneller sowjetischer Kräfte begegnen unsere Kampfgruppen durch Zusammenschluß in einzelnen Widerstandsräumen …‹« Gomulka meinte: »Da hast du tatsächlich recht behalten mit deiner Lageeinschätzung!« Wolzow las weiter: »›Während der feindliche Einbruch in Minsk von Südosten und Nordosten her geschah, stehen weiter südöstlich bis zur Beresina hin immer noch deutsche Truppen, die sich unter fortgesetzten Durchbruchskämpfen nach Westen zurückschlagen.‹« – »Also eingekesselt!« sagte Gomulka und nahm Wolzow die Zeitung aus der Hand. »Außerdem gehteindeutig daraus hervor, daß es im Osten ein Bewegungskrieg geworden ist: ›Der Feind versucht‹, heißt es, ›die Bewegung weiterhin aufrechtzuerhalten.‹«
Holt schielte auf Ziesche. Ziesche schlief, oder er gab vor zu schlafen. »Und noch immer keine Gegenmaßnahmen?« fragte Holt. »Lies den Wehrmachtbericht!«
Gomulka blätterte in der Zeitung. »Gegenmaßnahmen?« Es zuckte in seinem Gesicht. »Moment! Invasionsfront … Also: ›im Mittelabschnitt der Ostfront stehen unsere Truppen bei drückender Hitze in auch für uns verlustreichen Kämpfen …‹«
Wolzow unterbrach ihn: »Da muß was los sein!« Ziesche richtete sich auf und glotzte verschlafen.
»Das hat es
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