Abenteuer des Werner Holt
K 7 und Munitionskanoniere!« Gottesknecht notierte. »Herr Wachtmeister«, sagte Holt, als Kutschera gegangen war, »darf ich mal telefonieren?« Gottesknecht sah ihn zerstreut an. »Warten Sie. Die Leitungen sind noch überbeansprucht.« Er dachte nach. »Wenn Sie telefonieren, dann können Sie mir eine … Benachrichtigung abnehmen.«
Die Baracke war so sehr durchgeschüttelt worden, daß ihr Inneres einem Trümmerfeld glich. Es dauerte zwei Stunden, ehe sieein wenig Ordnung geschaffen hatten. Ein Bombentreffer hatte die Latrine weggefegt, der Unrat klebte an den Barackenwänden. Wolzow, noch immer mit durchblutetem Verband, stützte beide Hände in die Hüften. »Das ist ein uraltes Kampfmittel«, sagte er. »Schon die alten Römer haben mittels sogenannter Ballisten Scheiße in belagerte Städte geschossen.« Holt schrie ihn an: »Scher dich ins Revier!« Er lief in die Schreibstube, wo Gottesknecht über den Mannschaftslisten saß. »Dreizehn Tote, Holt, es ist furchtbar!« Er klopfte mit dem Stift auf die Liste. »Die Bedienung Frieda bis auf den letzten Mann. Neun von den Schlesiern, die waren alle erst sechzehn.« Holt fragte beklommen: »Wie ist das passiert?« – »Volltreffer. Es müssen Neunhundert-Kilo-Bomben gewesen sein.« – »Und bei uns, bei Anton? Ich versteh das nicht.« – »Eine Bombe ist dicht hinter den Erdwall im Norden gefallen; was an der Nordwand stand, ist gewissermaßen in Feuerlee gewesen … Wer weiter weg stand, muß in den Druck- und Splitterbereich geraten sein.« – »Da hat der Sepp ein Riesenglück gehabt! Er stand links an der Höhenrichtmaschine.« Gottesknecht sagte: »Ihr alle habt ein Riesenglück gehabt.« Er erhob sich. »Ich lasse Sie allein, tun Sie mir den Gefallen.«
Holt wartete lange auf eine freie Amtsleitung. Nun war das Gestern wieder gegenwärtig, so fern, als sei ein Jahr darüber hingegangen. Er wählte. Jetzt könnte sie doch mit mir verreisen, dachte er, aber das Blut stieg ihm zu Kopf bei diesem Gedanken. Frau Ziesche meldete sich: »Ich hab kein Auge zugetan, die ganze Nacht! Was ist los? Seid ihr auch bombardiert worden? Ich hör die tollsten Gerüchte!« – »Ja. Es war schlimm. Wir haben dreizehn Tote.« – »Und Ziesche? Was ist mit Ziesche? Er darf auf gar keinen Fall an seinen Vater schreiben!« Er unterbrach sie. »Ziesche kann nicht mehr an seinen Vater schreiben. Er ist tot.« – »Tot?« fragte sie und zog das Wort in die Länge. »Bist du sicher, daß er nicht schon gestern abend geschrieben hat?« Er stand starr. »Nein. Er hat nicht geschrieben.« Die Verbindung wurde unterbrochen, die Untergruppe verlangte den Chef. Holt schaltete den Apparat nach Kutscheras Baracke.
Er stand unbeweglich in der Schreibstube. Welch Glück, daßdie Verbindung abgerissen war! Plötzlich schlugen seine Zähne aufeinander. Er fror. Er trat ins Freie.
Die Stellung wimmelte von Kriegsgefangenen, die an den Bombentrichtern schaufelten. Am Geschütz Anton wartete eine der schweren Zugmaschinen. Ein Dutzend drillichgekleideter Flaksoldaten von der Untergruppe richtete mit Hebebäumen und Seilwinden die umgestürzte Kanone auf. Auch Gottesknecht stand dort, mit Vetter und Gomulka. Ein paar Gefangene arbeiteten schon an dem zertrümmerten Geschützstand. Holt ging zu Gottesknecht. Wolzow meldete sich ab ins Revier. Gottesknecht musterte Holt und sagte: »Jetzt müssen Sie die Zähne zusammenbeißen!« Holt lief davon … Es ist ja vorbei! Er warf sich auf sein Bett.
13
Wolzow kehrte schon am folgenden Tag in die Batterie zurück. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Man hatte ihm Dutzende von kleinen Holzsplittern aus Stirn- und Kopfhaut gezogen. »Da ist nicht ein Bett mehr frei im Revier«, erzählte er. »Die 109. Batterie hat fünf Tote, die 136. vierzehn. Die Verletzten haben sie bis nach Bochum in ein Reservelazarett bringen müssen.«
Am Abend schaltete er Ziesches kleines Radio ein. »Der Kasten dürfte hin sein!« sagte Gomulka. Aber auf einmal tönte aus dem Lautsprecher die harte Stimme des Sprechers. Holt fuhr kerzengerade auf seinem Bett empor. »… Juli neunzehnhundertvierundvierzig. Auf den Führer wurde heute ein Sprengstoffanschlag verübt. Aus seiner Umgebung wurden hierbei verletzt: Generalleutnant …«
»Das ist …«, rief Gomulka. »Still!« fuhr Wolzow ihn an. »… Mitarbeiter Berger. Leichtere Verletzungen trugen davon: Generaloberst Jodl, die Generale Korten …« Holt blickte immer abwechselnd auf Wolzow und Gomulka.
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