Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
Vom Netzwerk:
Vater rum, die muß ich endlich lesen. Dann will ich in die Berge, unsere Pistolen ausbuddeln.« Holt wollte Peter Wiese besuchen. Wolzow fragte: »Ausgerechnet den Miesepeter? Was du bloß an dem findest!« Vorerst beschlossen sie, baden zu gehen. Holt hatte Bedenken, mit seinem zerschundenen Rücken. »›Da lagen die Helden, die Wunden
vorn
‹«, zitierte er. »Die alten Germanen hätten mich mit Schimpf und Schande davongejagt.« – »Da gab’s auch noch keinen Luftkrieg.« Wolzow fuhr mit den Beinen in die Überfallhose. »Das waren Zeiten! Stell dir das vor. Kampf Mann gegen Mann, o was hätt ich dazwischengehaun, bestimmt!« Die Vorstellung einer längst vergangenen Kampfesweise überwältigte ihn. »Ich wär der größte Feldherr des Altertums geworden«, prahlte er. »Dem Hannibal hätte ich mit einer Gegenumfassung geantwortet. So ein Blödsinn! Varro stellt die Truppen sechsunddreißig Mann tief auf, was nützt ihmda seine Überlegenheit? Ich hätte die Hastati und Principes nur in zwölf Glieder gestellt und die Triarii seitlich gestaffelt in Reserve behalten, da hätt ich Hasdrubals Reiterei in den Aufidus geschmissen …«
    »Oder Napoleon«, spottete Holt, »da hättest du ganz Rußland erobert …« Aber Wolzow entgegnete: »Nein.« Er zog sich die Hose über den Bauch. »Wenn ich Napoleon gewesen war, hätte ich Rußland nicht angegriffen. Die Russen hätten ja kommen können, wenn sie was wollten. Da hätte ich aus der Nachhand geschlagen, ganz nahe meiner Basis.« Er knöpfte sich die Hose zu. »Bei Napoleon ist es anders. Napoleon hat als Feldherr keinen Fehler gemacht. Wenn da behauptet wird, er hätte vor dem Marsch auf Moskau erst die baltischen Festungen erobern müssen, dann ist das Geschwätz. Napoleon hat in Rußland richtig gehandelt, das hat Clausewitz ein für allemal nachgewiesen. Napoleons Rußlandfeldzug ist deshalb nicht gelungen, sagt Clausewitz, weil die feindliche Regierung fest, das Volk treu und standhaft blieb, weil er also nicht gelingen
konnte
. Was schaust du denn so? Was ist denn?«
    »Nichts«, antwortete Holt. »Beeil dich. Schade um den schönen Nachmittag!«
     
    Die Badeanstalt war fast menschenleer. Holt schwamm zum anderen Ufer, Wolzow blieb zurück. Als Holt die Flußmitte erreicht hatte, legte er sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Blödes Beispiel, dachte er, mußte ich ausgerechnet auf Napoleon kommen? Am jenseitigen Ufer lag er eine Weile im Gras. Stimmt also gar nicht, daß der Führer Napoleons Fehler vermieden hat, wie’s immer heißt. Napoleon hat demnach gar keine gemacht.
    Als er wieder die Badeanstalt erreichte, hielt er sich ermattet an der Treppe fest und hing eine Weile im Wasser. Dann kletterte er an Deck. Das Herz arbeitete in harten Schlägen. Auf dem alten Stammplatz neben dem Sprungturm sah er sie alle beisammen, Jungen und Mädchen, Wolzow und Gomulka mittendrin. Langsam ging er über das Floß. Nein, dachte er, das ist doch nicht möglich! Ganz allein, weit abseits, saß das fremde Mädchen, an einenPfeiler des Geländers gelehnt, die Knie bis unter das Kinn gezogen, hockte dort mit geschlossenen Augen.
    Holt schlich zum Sprungturm und warf sich auf die Planken. Sogleich fragte die Friedel Küchler, wer ihn denn so grün und blau geschlagen habe. Holt antwortete nicht. Aber Gomulka, der sonst Kraftausdrücke gar nicht liebte, fuhr sie an: »Wo der Werner sich das geholt hat, du dumme Gans, dort hättest du dich vor lauter Angst von oben bis unten be… schmutzt!« Die Mädchen verzogen die Gesichter. Wolzow begann derartig zu lachen, daß oben am Ufer der alte Bademeister verwundert aus seiner Bretterbude schaute.
    Dann saßen sie stumm und träge in der Sonne. Jemand fragte: »Wie ist denn der Luftkrieg nun eigentlich?« Wolzow grinste. »Wie der Luftkrieg nun eigentlich ist? Der Luftkrieg ist nun eigentlich ganz einfach! Das ist der einfachste Krieg, den’s überhaupt gibt. Wir sind unten und schießen nach oben, und die sind oben und schmeißen nach unten.«
    Holt dachte: Ich muß noch warten, eh ich frag, sonst fällt’s auf! Er fragte schon, so ganz nebenbei: »Wer ist das Mädchen dort drüben?« Alle wendeten die Köpfe. Ein paar Mädchen lachten. Holt sagte gereizt: »Ihr seid albern!« Wolzow brummte: »Alle Mädchen, sobald mehrere beisammen sind! Eine allein möcht am liebsten in die Erde versinken.« – »Gut beobachtet«, sagte Gomulka.
    »Die ist nicht von hier«, erzählte Friedel Küchler, die weißblonde

Weitere Kostenlose Bücher