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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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den süddeutschen Raum. Mehr als hundert Viermotorige waren abgestürzt, aber Schweinfurt war dennoch bombardiert worden … Holt sah ein Häusermeer in einer grauen Rauchwand versinken, darin unaufhörlich die Blitze der Einschläge zuckten, bis sich das Rot der Brände durch den Rauch fraß … Er schüttelte die Erinnerung ab. Wie sagte Gottesknecht immer? Zähne zusammenbeißen!
    »Es ist gut, daß ich damals nichts von dir wußte. Ich hätte ja keine Ruhe gehabt. Helfen hätte ich dir auch nicht können.« Er saß lange stumm neben ihr. Unsicher durch ihr standhaftesSchweigen fragte er: »Soll ich gehen?« Sie schüttelte unmerklich den Kopf.
    Die Gesellschaft am Sprungturm brach auf. Wolzow sah im Vorbeigehen auf das Mädchen, dann verlor sich der Stimmenlärm auf der Liegewiese. Sie blieben allein auf dem Floß zurück. Die Abendsonne stand tief über den Bergen jenseits des Flusses und wärmte nicht mehr. Er fragte: »Ich weiß noch gar nicht, wie du heißt.«
    »Gundel. Eigentlich Gundula.« Er horchte auf ihre Stimme, eine dunkle, etwas brüchige Stimme. Er wiederholte: »Gundel …« Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Und mit Familiennamen?« – »Thieß.« Ihre Stimme gefiel ihm. »Wird dir nicht kalt?« Sie sagte statt einer Antwort: »Die andern werden böse sein, wenn du nicht mitgehst. Es sind doch deine Freunde.« – »Gilbert und Sepp«, sagte er, »die andern gehn mich nichts an.«
    Sie lächelte. Er sah zwischen den Lippen die blanken Zähne schimmern. »Woran denkst du?« Das Lächeln vertiefte sich. Sie sagte: »Ich möcht wissen, was du gestern gedacht hast.« – »Ich?« Die Frage verblüffte ihn. »Ich hab dir nachgeschaut. Zuerst fiel mir eine Zeile aus einem Gedicht ein … Da stand das Kind am Wege …« Sie neigte den Kopf zu ihm hin: »Und wie geht’s weiter?« Er überlegte angestrengt. »Da stand das Kind am Wege … und winkte ihn nach Haus … Es ist von Storm, glaub ich.« Er sah, daß sich ihre Lippen bewegten; sie wiederholte für sich die beiden Verszeilen. »Und du?« forschte er. »Was hast du gedacht?« Da stieg ihr wieder die Röte ins Gesicht, und sie stand auf. Er war einen halben Kopf größer als sie. Er sah ihr nach, dann rannte er über die Liegewiese zu seiner Kabine und fuhr in die Uniform. Er wartete am Ausgang.
    Sie trug wieder das verschossene bunte Kleid. Er lief wortlos neben ihr durch die Parkanlagen zur Stadt. Als hinter der Brücke die Straße nach links zum Fischerviertel abzweigte, blieb sie stehen und sagte: »Nicht … Es ist besser, wenn sie dich nicht sehen.«
    »Gehst du morgen wieder baden?« Sie nickte. Dann, als sei dies schon zuviel gewesen, ging sie davon, die enge, schattige Gasse entlang.
     
    Holt besuchte am anderen Morgen Gomulka. Wolzow schlief noch. Auf dem Tisch lag ein Stoß schwarzer, in Wachstuch gebundener Hefte, in denen Wolzow die halbe Nacht gelesen hatte, die Tagebücher seines Vaters. Holt schrieb einen Zettel: »Bin bei Sepp. Sehen uns vielleicht beim Baden.« Als sein Blick auf Wolzow fiel, der im Schlafe leise schnarchte, hatte er Lust, ihm ins Gesicht zu brüllen: Gefechtsschaltung! Sollst mal sehen, wie er hochkommt!
    Gomulkas bewohnten ein Haus am Stadtrand. Im Vorgarten blühten Gladiolen und Astern. Gomulka öffnete im Bademantel und führte Holt durch die Diele in ein helles Speisezimmer. Aus dem angrenzenden Raum drang das Gespräch mehrerer Frauenstimmen. Gomulka erläuterte: »Wir haben Verwandtenbesuch.«
    Sein Zimmer war einfach möbliert. Hier herrschte eine peinliche, fast pedantische Ordnung und Sauberkeit. Als Gomulka den Schrank öffnete, sah Holt die Wäschestücke auf die gleiche Breite gefaltet, exakt aufeinandergestapelt, die Schuhe in Reih und Glied und die Kleidungsstücke sauber gebürstet auf den Bügeln. Er dachte an die Unordnung bei Wolzow.
    Sie suchten sich im Garten einen schattigen Platz. Die Aprikosenbäume hingen voll reifer Früchte. Gomulka meinte: »Heuer ist ein gutes Aprikosenjahr. Wir lassen sie ganz reif werden, überreif, da kann man sie ohne Zucker zu Marmelade kochen.« Holt hob ein paar der herumliegenden Früchte auf, aß und warf die Kerne ins Gebüsch. Träge und zufrieden legte er sich unter einen Baum. Gomulka fragte: »Was machst du am Nachmittag?« – »Ich bin verabredet.« Gomulka fragte vorsichtig: »Stimmt es, daß sie … nicht ganz richtig ist?«
    »Das ist ein verdammter Quatsch, Sepp! Das ist typisch für die Küchler, diese Ziege!« Holt fuhr ruhiger fort: »Ich weiß

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