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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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verloren, und der Baß rollte grabestief. »Ungeschlagen! Tula, November einundvierzig … Smolensk, September dreiundvierzig … Mogilew, März vierundvierzig … Minsk, Juli vierundvierzig … ungeschlagen, aber
vernichtet
! Es gibt keine 11. Panzerdivision mehr! Es gibt noch fünfhundert Gewehre und ein Dutzend Tiger, aber die sind schrottreif!« – »Es lebe …«, schrie der Major, »unser großer General … und unser Führer Adolf Hitler …« Die Halle zitterte imGebrüll der tausend Soldaten. »Junge, trink!« sagte der Oberfeldwebel. »Nicht auf den General. Auf niemand. Auf den größten Beschiß der Welt!« Holt trank gehorsam. »Abteilungsbefehl!« hörte er den Major brüllen. »… Anbetracht der Lage … noch vorhandenen Alkoholvorräte … rücksichtslos zu versaufen!« – »Wir sind ja
so
beschissen worden«, sagte der Oberfeldwebel. »Junge du hast keine Ahnung!« Er goß sich wieder das Glas voll. »Sauf, Rekrut! Der Dank des Vaterlandes ist dir gewiß.« Holt starrte gebannt auf den riesigen Mann, der sich einschenkte, trank, wieder einschenkte und trank. Er hörte ihn zwischen zwei Schlucken sagen: »Sauf, Junge! Willst du nicht?« Er nahm schon die zweite Flasche zur Hand. »Junge, wie man uns beschissen hat!« Holt lief davon.
     
    Beim Tisch der Unteroffiziere ging das Gelage seinem Ende zu. Revetcki trank aus der Flasche. Boek lag mit dem Oberkörper über dem Tisch. Der Stabsgefreite Kindchen torkelte zwischen den Tischen entlang, in jedem Arm eine Flasche, und sang: »Ein Pro-oo-sit der Ge-müüt-lich-keit!« Die Offiziere waren verschwunden. Unteroffizier Winkler, der auf Revetckis Stube lag, wankte dem Ausgang zu, stolperte und schlug hin. Revetcki beugte sich über ihn, richtete sich auf und sagte grinsend: »Weitermachen!« Holt eilte zu Winkler. Dort stand Burgkert und sagte: »Bring ihn weg, Rekrut! Er wird noch gebraucht. Wir werden alle noch gebraucht!«
    Holt und Gomulka hoben Winkler auf. An der Hallentür stand ein Gefreiter, klein von Statur, vielleicht dreißig Jahre alt. Er rauchte und blickte ungerührt in das Chaos, mit einem aufmerksamen und wachen Blick. Er öffnete die Tür für Holt und Gomulka, die Winkler aus der Halle trugen, während Boek an ihnen vorbei ins Freie torkelte.
    »Eure Ausbilder?« fragte er.
    Gomulka sagte: »Es ist widerlich.«
    Der Gefreite lächelte. Er sagte, indem er mit einer Handbewegung in die Halle hineindeutete: »Warte nur, bis diese Fehlcharge abgestochen wird! Fliegt auf den Schrotthaufen, das dauert kein Jahr mehr!«
    Holt und Gomulka schleppten Winkler über den zerklüfteten Kasernenhof in sein Bett. Gomulka lief zurück zur Halle, wo der Gefreite noch immer an der Tür stand.
    Holt ging in die Stube. Die trübe Lampe erhellte den großen Raum nur schwach. In einer Ecke saß Peter Wiese. Er schrieb einen Brief.
    Holt lehnte sich an einen Spind. Wiese lächelte. Der Lärm drang über den weiten Kasernenhof bis in die Stube. »Tja, Peter …«, sagte Holt hilflos. Er warf sich auf sein Bett. Weihnachten! dachte er …
    Am ersten Feiertag, als die Kaserne endlich aus der Betäubung erwachte, brachte Kindchen Post. Holt erhielt ein Päckchen von Gundel. »Ich durfte bei Frau Gomulka für dich backen«, schrieb sie. »Es ist das erstemal, daß ich gebacken habe. Darum ist es noch nicht restlos gelungen. Frau Gomulka meint aber, ich soll es trotzdem schicken. Die getrockneten Aprikosen hat sie mir für Dich geschenkt. Das Bild habe ich beim Photographen machen lassen, aber ich finde, so sehe ich gar nicht aus.«
    Er faltete das Papier auseinander. Obenan lag ein einfacher Tannenzweig. Er sah lange auf die Photographie. Gundel … Sie lächelte nicht, sie war ganz ernst. Wie kann man so große Augen haben, dachte er.
     
    Seinen Geburtstag verbrachte Holt im Gelände beim Übungsschießen mit der Panzerfaust. Auf dem Rückmarsch schob Revetcki eine »Sonderbehandlung« ein, und erschöpft fiel Holt auf sein Bett. Vetter sagte: »Jetzt bist du achtzehn! Jetzt darfst du auch als Zivilist in alle Filme!«
    Eine Woche später traf die Nachricht in der Kaserne ein: »Die Russen sind an der Weichsel durchgebrochen!« Wolzow breitete die Karte aus: »Hier! Aus dem Brückenkopf Sandomierz! Der Stoß zielt wahrscheinlich südwestlich nach Krakau oder westlich nach Kielce … Hier! Aus dem Brückenkopf Pulawy, auf Litzmannstadt angesetzt …« Neue Nachrichten langten an: »Sie sind auch in Ostpreußen durchgebrochen!« In der Kaserne verbreiteten

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