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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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heldischen Blutes …«
    Jetzt hörten die Rekruten tatsächlich zu. Man schaute gespannt auf den Leutnant. Aber Wehnert kehrte zur heldischen Rasse zurück, und das Interesse erlosch. Auch Holts Aufmerksamkeit ließ nach.
    »Die heldische Rasse … Blutserfahrung eines jeden einzelnen sollte sie sein … Spricht der Führer: Die Sünde wider Blut und Rasse ist die Erbsünde dieser Welt … Alle Werte der Welt geschaffen von nordischen Menschen … Das klassische Griechenland eine Großtat nordischer Rasse, das Römerreich eine Rassentat nordischer Größe … Die italienischen Künstler sind nordischen Blutes … Nordischen Blutes waren Voltaire und …«
    Jetzt kommt die heldische Schönheit, dann ist er fertig, dachte Holt.
    »… nicht nur der begabteste, auch der schönste Mensch ist der Mensch nordischer Rasse. Da steht die schlanke Gestalt des Mannes aufgerichtet zu siegreichem Ausdruck des Knochen- und Muskelbaus … da blüht der Wuchs des Weibes auf mit schmalen gerundeten Schultern und breiter geschwungener Hüfte … So sind die nordischen Menschen als der Schmuck der Erde erschienen, als die strahlenden Kömmlinge aus der Freude der Schöpfung.«
    »Amen«, sagte jemand ganz leise. Das war Gomulka.
    »Uns aber«, rief der Leutnant, »denen das Ahnen erschlossenist um Würde und Wunder der Rasse, uns bleibt eine elementare Pflicht zu erfüllen. Wer aus tiefster Seele an die Sendung des nordischen Helden glaubt, der kann nie wanken und nie weich werden, wenn der Befehl auch dem Verstand unfaßbar ist, dem Verstand, der nur die Äußerlichkeit begreift, während der Glaube allein das Wesen erschließt.«
    Wie war das? Wenn der Befehl auch dem Verstande unfaßbar erscheint … ja, jetzt begreif ich!
    »Das Schicksal des Helden ist seine Rasse, der Mythos vom Reich sucht gläubige Herzen. Es ist nicht die Kraft des Verstandes, die das Reich erbauen wird, sondern die heldische Zuversicht, die Selbstbeherrschung, auch wenn der klügelnde Verstand sich meldet. Der Führer schrieb: Wenn unserer Jugend etwas weniger Wissen eingetrichtert worden wäre, so hätte sich das für Deutschland vielfach gelohnt. Der Weg zum Endsieg heißt nicht Denken– Wissen–Kritik, sondern Schicksal–Mythos–Glaube! Die heldische Größe zeigt sich im Gehorchen und im Handeln. Des Führers Partei schuf die Grundlage, die Partei, von der der Dichter singt: ›Aus dem Sumpf und seinen Niederungen stieg die Partei mit ihren Gliederungen …‹«
    Holt hörte nicht mehr hin. Jetzt begreif ich, wozu das erfunden worden ist, dachte er, und der Gedanke nahm ihm den Atem: Rasse, nordisches Blut, Arier, Übermensch, heldische Zuversicht … damit ich die Slowakin erschossen hätte, ohne mit der Wimper zu zucken!
    »Im Kampf um das Reich gilt keine Moral! Unser Dichter Hanns Johst spricht: ›Es läßt sich aus einer Moral aber kein Glauben gewinnen, nur aus dem Glauben eine Moral.‹ Aus dem Glauben an die Urkraft der Rasse wuchs unsere Moral. Wo Glaube ist, so spricht Hanns Johst, dort ›ist Allmacht! Und wo Allmacht ist … ist das Reich und die Herrlichkeit!‹« – »… in Ewigkeit, amen …«, flüsterte Gomulka.
    »Achtung!« brüllte Revetcki. Die Rekruten sprangen auf. Leutnant Wehnert verließ kerzengerade den Raum. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß.
    »So!« sagte Revetcki. »Dienstschluß? Nein, Essig! Ich habegesehen, daß ihr allesamt gepennt habt.« Er lief vor den Tischen auf und ab und klopfte mit dem Stöckchen an seine Stiefel. »Warum spiegeln eure Visagen keine heilige Ergriffenheit? Warum glotzt ihr mich an wie tote Karpfen?« Er brüllte: »Jetzt werdet ihr einen Berserkergang erleben, ihr dreckigen Kömmlinge, bis ihr bei lebendigem Leibe verwest! Jetzt treib ich euch die heldische Faulheit aus, ich werd euch fessellos schleifen, bis es herrlich am grauen Morgen in einer Gosse endet! Ihr sollt den tiefsten Blick in den Tag des Geschehens tun! Los, in drei Minuten feldmarschmäßig und … Gaaaas!«
    Sie rissen die Masken heraus, Revetcki führte sie auf das Trichterfeld des Kasernenhofes. »Jetzt treibe
ich
WF-Unterricht«, sagte er, »daß die Knöchel weiß werden!« Boek grinste begeistert. »Karabiner im Vorhalt! Hüpft heldisch Häschen-hüpf, Hunde, hübsch durch die Trichter! Reckt die Arme und schreitet hinein!«
    Er ließ sie erst nach einer Stunde auf die Stuben.
     
    7
     
    Die trübe, gedrückte Stimmung der Rekruten besserte sich überraschend, als am 19. Dezember die Nachricht von der

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