Abenteuer des Werner Holt
eigenartige Stimmung versetzt. Undurchschaubare Gefühlswallungen erschütterten ihn, ihm war seltsam klarsichtig, alles war nahe herangerückt, die feinsten Knistergeräusche im Kopfhörer klangen laut und deutlich, das linke Augenlid flatterte. Die Aufregung, dachte er, oder die Tabletten …
Mit einem Ruck zog der Panzer an, und die sechzehn Panther setzten sich an die Spitze der Kampfgruppe, gefolgt von denSturmgeschützen, den Selbstfahrlafetten und der langen Kette der Schützenpanzerwagen. Holt sah durch die Richtoptik des Bug-MGs. Der Wagen brach durch das Unterholz, walzte ein paar junge Kiefern nieder, überquerte die Lichtung, wo die Selbstfahrlafetten mit der Vierlingsflak darauf warteten, sich anzuschließen, und kroch dann auf die Chaussee.
Er kletterte in den Turm und schob den Oberkörper neben Vetter ins Freie. Der Oberfeldwebel ragte bis zum Gürtel aus dem Turmluk. Der Fahrtwind schlug eisig in die Gesichter. Das fünf Meter lange Rohr der Kanone reichte weit über den Bug hinaus. Sie passierten offene Panzersperren, an denen Soldaten wachten. Der Himmel war bedeckt, tiefhängende Wolken trieben von Norden her über die Wälder. »Das rettet uns vor den Schlachtfliegern!« meinte Burgkert mit einem Blick zum Himmel. Vor einer flachen Steigung der Chaussee schaltete der Fahrer und gab Gas. Holt glitt, vom eisigen Fahrtwind durchfroren, in die Tiefe zurück. Auch Burgkert tauchte in den Turm. Holt hörte im Kopfhörer die Stimme des Kommandeurfunkers, der nach der Sturmartillerie schrie: »Kommen! Verdammt, verfluchte Idioten … kommen!« Ganz schön in Fahrt, dachte Holt. Endlich meldete sich Porschke bei den Sturmgeschützen, dann Klein bei den Panzergrenadieren. »Pennst du? Mensch, es sollen Iljuschins oben sein! Aufpassen!« Holt gab die Warnung weiter. Auf einmal hielt der Wagen mit einem Ruck, der Holt vornüber warf. Soldaten umringten den Panzer. Durch die Optik sah Holt am Straßenrand zwei Panzerwracks liegen, im Gebüsch schwere Flak. Der Panzer fuhr wieder an. Holt bediente mechanisch die Funkgeräte. Der Kommandeurfunker sagte leichthin: »Der Russe trommelt ein bißchen auf die Frontlinie, das ist bloß Nervosität, ihr greift an!« Und gleich darauf: »Der Kommandeur kommt später mit der Feldartillerie nach. Meldung, wenn ihr durch seid.« Holt schüttelte den Kopf, aber der Oberfeldwebel begann zu fluchen, dann trank er aus einer Schnapsflasche und schimpfte weiter: »Erst hetzt uns der Alte in seinem Knopflochfieber in dieses Scheißunternehmen, und dann bleibt er zurück, so was lieb ich!«
Wieder hielt der Panzer. Holt steckte den Kopf in die eiskalteWinterluft. Die Chaussee verließ ein dichtes Gehölz. Die Straße lief schnurgerade in die Ebene, in eine öde, weiße Schneewüste. Holt blickte nach Osten. Felder, Wiesen und Buschwerk bis hin zum Horizont. Dort aber, fern, hing es wie ein Nebelvorhang über der Ebene, wie Wolkendunst … Vor dem Panzer standen feldgraue Gestalten mit weißen Helmen. Burgkert starrte lange durchs Fernglas. Dann befahl er Holt, den Kommandeur zu rufen. »Der wird hier gebraucht!« Nichts rührte sich. Nur die freche Stimme Porschkes von der Sturmartillerie lästerte: »Die Herren frühstücken!« – »Holt, du sollst den Kommandeur rufen!« schrie Burgkert wütend. Er hörte mit und rief über den Bordfunk: »Nicht so höflich!« Endlich war die Verbindung hergestellt, und der Kommandeurfunker schnauzte: »Was ist bei euch für eine Sauerei im Gange? Warum greift ihr nicht an?« Burgkert wurde böse. »Ich seh’s von hier, die fetzen in die Front rein, was das Zeug hält!« Die Antwort lautete: »Unverzüglich angreifen.« Burgkert schrie: »Wir greifen an! Aber wenn die halbe Kompanie liegenbleibt, dann solln sie uns kreuzweis …!« Die können uns nämlich gar nichts! dachte Holt. In einer halben Stunde sind wir hinter den Russen. »Unerhört!« kam der Kommandeurfunker wieder. »Feldgendarmerie hinterherschicken …« Burgkert brüllte: »Sie sollen! Sollen sie doch! Dann drehn wir die Rohre um!« Holt schaltete ab.
Die Soldaten, die den Panzer umstanden, grinsten. »Traut euch wohl nicht ins Feuer, ihr Aristokraten? Wir müssen da mit’m bloßen Wanst rein! Die Herren sind sich wieder mal zu schade!« Burgkert trank aus der Schnapsflasche. Dann gab er seine Befehle: »Linksschwenkt, dann rechts um und durch.«
Mit aufheulendem Motor rollte der Panzer von der Chaussee, fuhr am Waldrand entlang, schaukelte wie auf hoher See. Die
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