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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Limonade unter den Tisch und füllte das Glas mit dem Schnaps, den er unbeschädigt durch den Angriff geschleppt hatte. Er trank rasch eine ganze Flasche leer. Dann schlief er ein.
    »Mit Burgkert im Panzer«, sagte Wolzow, »das wär nicht übel. Aber nur, wenn er genug Schnaps hat. Der ist überhaupt nur noch unter Alkohol lebensfähig.« Er haschte nach einem vorbeigehenden Zivilisten und entriß ihm eine Zeitung. Er faltete das Blatt auseinander. »Von heute! Aus dem Führerhauptquartier … ›Zwischen Kosel und Breslau wurden zahlreiche Übersetzversuche des Feindes vereitelt …‹« Vereitelt ist gut, dachte Holt. Wolzow rauchte. »Werner, hör zu! ›Wie fällt die Entscheidung im Osten‹?« – »Wahrscheinlich kommen nun bald die neuen Waffen«, rief Vetter. Wolzow las. Vetter hörte mit offenem Munde zu. »… ›Pflicht darin sieht, ohne Rücksicht auf die eigene Person in mühsamer Kleinarbeit einen bolschewistischen Panzer und Infanteristen nach dem anderen auszuschalten …‹« Auszuschalten? Es war erst gesterngewesen: Sepp und der Gefreite … die Panzersperre … Wolzow und seine »überlegene Taktik« … nicht dran denken! »Hier heißt es, der Russe hätte alles eingesetzt, was er noch besitzt, und wenn es uns gelingt …« Wolzow las: »… ›was er jetzt eingesetzt hat zu zerschlagen, dann ist er fast wehrlos und muß alles, was er raubte, wieder herausgeben.‹« – »
Fast
wehrlos ist gut!« sagte Vetter. »Wer das schreibt, der will uns doch glatt veralbern!«
    »Was war eigentlich gestern an der Panzersperre los?« fragte Holt.
    »Ich hab doch gedacht«, antwortete Wolzow unwirsch, »die Überraschung wird so groß sein, daß die sich nicht zu helfen wissen!«
    »Junge«, sagte der Oberfeldwebel plötzlich, mit dröhnendem Baß, und er blinzelte schlaftrunken mit den geschwollenen Lidern. »Den Trick mit der Panzersperre kennen die doch! Die kennen doch alle Tricks, die’s gibt. Ich bin ein ausgewichster Panzermann, aber die sind doch keine halbe Nase weniger schlau!« Er goß sich den Aluminiumbecher voll Schnaps. »Panzerfaust ist Krampf, Junge, ›dem besten Soldaten die besten Waffen‹ …« Er trank den Becher leer und sank in den Stuhl zurück. »Was sind wir beschissen worden!« Er schloß die Augen.
    Wolzow kniff ein Auge zusammen. Der Oberfeldwebel sagte stoßweise, halb bewußtlos vor Trunkenheit: »Wir warn drei … auf sechs Morgen … in Pommern … Alles in Kartoffeln aufgefressen, und dann … auf dem Gut, für Deputat … Der Baron war Major. Einmal war Sauhatz … Ist ihm der Jagdwagen abgehauen, vier Wallache … Ich hab sie am Halfter geschnappt …« Er sprach mit schwerer Zunge: »Sagt der Baron: ›Name? Von hier?‹ Ich sag: ›Ihr Nachbar … Drei Brüder, sechs Morgen.‹ Volk ohne Raum … Der Major: ›Hol dir Land. Im Osten gibt’s Land!‹« Der Kopf des Oberfeldwebels sank auf die Brust. »Hab’s nie mehr vergessen. Hab gedacht: Wirst Berufssoldat. Schaffst dir’n Hof.« Er knallte plötzlich den Becher auf den Tisch: »Eingießen, Rekrut!« Wolzow grinste und füllte den Becher abermals. Burgkert trank, mit geschlossenen Augen, der Schnaps troff über Kinn, Hals und Uniform. Wie gelähmt wischte der Arm über den Mund, fiel schwerherab. Ein Röcheln: »Sonst nichts … Immer nur für … einen Hof … gekämpft …«
    »Randvoll!« sagte Wolzow. »Stockblau, der Mann!«
    Vetter sagte: »Da hat er sich aber auf die Schippe nehmen lassen, von wegen ›Land im Osten‹! Jetzt wird er sich richtig verarscht vorkommen!«
    Der bullige Mann war haltlos zusammengesunken und schnarchte mit offenem Mund. Der wird nie mehr hinter dem Pflug gehn, dachte Holt. Der sät und melkt und erntet nicht mehr. Der kann bloß noch saufen und dreinschlagen. Der lebt gar nicht mehr richtig. Der ist fertig. Eines Tages werden wir alle so fertig sein, besoffen, verkommen, betrogen.
    Und sterbensmüde dachte er: Wär doch alles vorbei!
     
    Holt schlief auf seinem Stuhl und erwachte erst am späten Nachmittag. Dämmerung lag in dem Raum. Alle Tische waren leer. Hinter der Theke spülte niemand mehr Gläser. Alles getürmt! Auch die anderen erwachten. Burgkert schickte Vetter in die Stadt. »Nachsehen, wo der LKW bleibt!« Sie aßen. »Hier lag früher mal eine Husaren-Garnison«, erzählte Wolzow. »In der Nähe, in Woiselwitz, hat der Baron Warkotsch den alten Fritzen …« – »Bist du blöd?« fragte Burgkert. »Bist du auch schon übergeschnappt?« Holt aß Ölsardinen.

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