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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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schwierige Wendung klappte, die Panzer rollten ausgeschwärmt über die Ebene. Am Waldrand fuhr auch die Sturmartillerie in Reihe auf.
    Wolzow schrie: »Werner! Laß zwei Wagen vom ersten Zug links raus fahren, daß wir beide Flanken geschützt haben!« Die abgesessene Sturminfanterie keuchte in Rudeln hinter den Panzernher. Holt hörte Burgkert sagen: »Klotzsche, paß auf, daß wir nachher nicht die eigene Infanterie zermanschen!« Er starrte durch die Richtoptik seines MGs. Vor ihm endete die Welt in einer schwarzen Rauchwand, in der ununterbrochen rote und weiße Blitze zuckten. Durch das Motorengedröhn drang nun der Donner der Einschläge bis unter den Kopfhörer. »Luken dicht!« Der Feuervorhang war da, war kein Vorhang mehr, war trüber Nebel, der um die Panzer wogte, schwarzer Rauch, und vor dem Bug des Wagens sprang eine riesige Erdfontäne auf, der Wagen schwankte hinab in einen Trichter. Holt hörte nichts, nicht das Donnern der Einschläge, nicht das Klirren der Splitter gegen die Panzerung, nicht das Geheul der heranfegenden Granaten, er hörte nur das Aufbrüllen des Motors, als Burgkert schrie: »Klotzsche … Vollgas! Durch und drauf!« Der Wagen taumelte durch Trichter, von Einschlägen umzuckt. Holt preßte das Auge an die Optik. Der rechte Panzer war etwa dreißig Meter voraus, und die Sturminfanterie keuchte hinter ihm durch die Einschläge und fiel im Feuer zurück … »Klotzsche! Schützenlöcher! Vorsicht!« Der Panzer wand sich durch Grabenstücke und Löcher. Holt wollte nichts mehr sehen. Der Wald der Einschläge, die Gestalten in den Löchern, die hier in höllischem Feuer lagen, die Trupps der nachfolgenden Sturminfanterie, die der Splitterregen lichtete und die sich verzweifelt an die Panzer klammerten und sich durch Schnee und Dreck schleifen ließen … er wollte es nicht mehr sehen, aber er hörte Burgkert: »Wir sind durch!« Schwankende Erde, von Rauch überweht … und dann zerriß der Nebel, und das Feld lag frei, bis zum buschbestandenen Horizont … Burgkert schrie: »Jetzt paßt auf Nahbekämpfer auf!« Ein ganzes Ausbildungsprogramm wurde in Holt lebendig: wie man sich in den toten Winkel eines Panzers pirscht, wie man sich überrollen läßt, wie man von hinten auf den Stahlkoloß losgeht … Aber wie man im Innern dieses Stahlgrabes sitzt, die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, gelähmt vor Angst, das erlebte er zum erstenmal, die Sinne wach wie ein Tier, das sich in Todesangst duckt … Er umklammerte den Handgriff des Maschinengewehrs, es war wie in der Kaserne auf dem Schlingerstand, er sah durch die Optik einen Graben vor sich und fremdartigeHelme, sah weiße Tarnmäntel hinter der Brustwehr, hörte Burgkert schreien und den ersten schmetternden Schlag der Panzerkanone … Wolzow schießt! Auf der Grabenböschung sprang eine Fontäne von Feuer, Schnee und Erde hoch. Die Turm-MGs rasselten. Da tauchte der Graben schon unter den Gesichtskreis, der Bug des Panzers senkte sich tief in die Erde und stieg mit brüllendem Motor hoch … Und im Kopfhörer Burgkerts Stimme: »Die Infanterie geht mit dem Bajonett gegeneinander …« Und im Kopfhörer der Schrei des rechten Nebenmannes: »Chefpanzer … Bei uns … ist einer aufgesessen, o Gott, schießt ihn runter! Aaaaah … schießt ihn runter!« Holt schrie: »Wolzow … rechter Nebenmann … hilf ihm doch!« Aber Burgkert brüllte: »Neun Uhr! Sprenggranate!« – »Hab selbst zu tun!« Wolzow riß den Turm nach links. Wieder der rechte Nebenmann, die unkenntliche Stimme des Funkers in Todesangst: »Wir brennen … Hiiiilfe!« Wolzow eiskalt: »Wieder’n Graben, Herr Oberfeld, Schützenlöcher!« Mit einem Ruck hielt der Panzer. Die Kanone schmetterte. Der Fahrer: »Hab ein Schützenloch unter der Kette!« Der Motor raste, der Panzer drehte sich wie ein Kreisel um seine Achse … In Holt stieg das Grausen hoch. Aber der Panzer ließ nun die Gräben hinter sich und stieß in eine von kahlem Gebüsch bestandene Senke hinab.
    Links um! Von rechts schoß Artillerie. Wieder klappte das Manöver. Weit auseinandergezogen jagte die Kompanie nach Norden. Die Artillerie faßte die letzten Wagen. Im Kopfhörer Geschrei. Dann Stille. Holt wischte sich über das Gesicht, das naß war von Schweiß oder von Tränen. Wo ist die Infanterie?
    Es gab keine Sturminfanterie mehr. Der Panzer kroch auf ein fernes Waldstück zu, krachte hinab und durch das Eis eines zugefrorenen Baches, schob sich schwerfällig wieder hinauf und brach sich dann

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