Abenteuer des Werner Holt
Kommandeur meldete sich über Tastfunk. Holt schrieb den Spruch mit, und während er schrieb, dachte er: Das quittier ich nicht! Er reichte das Papier zu Burgkert hoch. Die Kampfgruppe befahl: Panzer und Sturmartillerie kehrt marsch, kämpft Grenadiere frei.
Burgkert las den Spruch. Der Funker der Sturmartillerie rief über Sprechfunk: »Habt ihr auch den Irrsinn gehört? Kehrt! Mensch, da gehn wir bis aufs letzte Geschütz drauf!« Burgkert:»Aber wenn die Grenadiere nicht durchkommen, dann hat es keinen Zweck, wenn wir weiterfahren!« Wolzow: »Aber wenn wir umdrehen und die Grenadiere raushauen, ist unser Sprit alle, und dann war der ganze Angriff sinnlos.« Burgkert: »Der Angriff war überhaupt sinnlos. Holt, hast du den Spruch quittiert? Nein? Schlauer Hund! Dreh das Gerät ab! Ruf die Sturmartillerie über UKW. Für den Alten stelln wir uns tot.« Und zum Fahrer: »Klotzsche, los!«
Sie stießen wieder über die Bahnlinie und blieben abermals in einem Wäldchen liegen, viele Stunden lang. Am Himmel kreisten unermüdlich Flugzeuge. Im Kopfhörer das Gespräch Burgkerts und Wolzows. Wolzow: »Die setzen nicht mal eine Panzerkompanie gegen uns ein.« Burgkert: »Die Schlachtflieger tun’s ja auch.« Da Burgkert das Kehlkopfmikrophon nicht abschaltete, hörte Holt den Schnaps durch die Kehle gluckern.
Endlich flogen die Schlachtflieger ab. Die Panzer bogen nach rechts und folgten dem Bahndamm. Der Tag neigte sich schon dem Ende zu. In der Dämmerung passierten sie ein Dorf auf einer endlosen, von Bäumen und Buschwerk bestandenen Ebene. Vom Dorf her feuerten ein paar Panzer. Zugleich, im letzten Tageslicht, stürzten sich wieder Schlachtflieger auf sie. Dann war es Nacht.
Die Dunkelheit nahm schützend die sechs Wagen auf, die übriggeblieben waren und einen neuerlichen Übergang über die Eisenbahnlinie gewannen. Wie flüchtendes Wild verkrochen sie sich in einem Gehölz und hörten auf der nahen Chaussee eine Stunde lang Panzerketten vorüberklirren. Dann fuhren sie weiter, mit offenen Luken, alle Sinne in die Nacht gerichtet. Vor ihnen flammte der Himmel rot vom Feuer der Salvengeschütze, sie näherten sich dem Ziel. Bei aufgehender Mondsichel prallten sie von hinten auf eine Panzerbereitstellung, vielleicht hundert Wagen, die auf einer Lichtung tankten und munitionierten. Als die Kanonade verstummte, waren es noch vier Wagen, die im Dunkel untertauchten. Diese vier Wagen durchbrachen im Morgengrauen mit verzweifeltem Anlauf von hinten die Front, unterliefen noch einmal einen verheerenden Feuervorhang, den Werfer und Artillerie über die deutschen Linien zogen, und rollten dann ein paar Kilometerweiter in ein Dorf. Sie hielten. Burgkert stieg aus und suchte eine Befehlsstelle.
Als der Panzer mit hartem Ruck stoppte, fiel Holt nach vorn über die Funkgeräte und legte den Kopf in die Arme. Es würgte und schüttelte ihn. Geschafft, dachte er, gerettet! Er nahm sich zusammen und stieg aus. »Friß Pervitin«, meinte Wolzow, »das pulvert auf! Hast du noch Schoka-Kola? Mach bloß nicht schlapp!« Burgkert war wieder da. »Wir setzen über, eh es hell wird!«
Am vergangenen Tag hatten die Reste zerschlagener deutscher Truppen die Oder erreicht. In dieser Nacht war der Brückenkopf geräumt worden. Nur ein dünner Schützenschleier lag noch draußen im Feuer und wartete auf den Befehl zum Rückzug.
Die vier Panzer rollten die Straße entlang, die unter schwerem Artilleriefeuer lag, erreichten die Oder und kletterten über den Damm. Dort brach ein Wagen im Einschlag einer 21-Zentimeter-Granate auseinander. Die anderen stießen die steile Böschung hinab zum Strand, zerknirschten das Packeis und schoben sich an die Brücke heran.
Halt! Sie stiegen aus und warteten. Infanterie ging über den Fluß. Es wurde hell. Burgkert fluchte.
Die Pontonbrücke war eingefroren. Nur in der Mitte überspannte sie freies Wasser. Dort schob sich das Treibeis immer wieder an den Pontons hoch, drückte gegen den Belag und wurde von Pionieren gesprengt. Seit zwei Tagen lag die Brücke unter Beschuß. Am Tage strichen Schlachtflieger darüber hin und machten den Übergang unmöglich. Immer wieder flickten Pioniere die Einschlagstellen, dichteten die von Splittern zerlöcherten Pontons notdürftig ab.
»Aufsitzen!« Der Panzer faßte mit den Ketten die Brückenplanken. Holt saß im offenen Luk, seine Beine hingen ins Innere. Vetter saß draußen, beide hatten ihre Ausrüstung angelegt. Wolzow stand hinten auf dem Heck,
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