Abenteuer des Werner Holt
den Wald.
Auf der Chaussee stand noch ein Dutzend unbeschädigter Wagen zwischen den brennenden Wracks. Holts Panzer war noch ziemlich heil. Die herumstehenden Besatzungen saßen auf. Der Fahrer flehte: »Wenn sie wiederkommen … sag mir’s rechtzeitig!«
Sie kamen wieder, als die Kolonne ein paar Kilometer gefahren war und zwischen Chaussee und deckendem Wald ein tausend Meter breiter Ackerstreifen lag. Die Jagdbomber ließen die Panzer stehen und fielen über die fliehenden Besatzungen her. Holt rannte um sein Leben und erreichte den Wald.
Die Jagdbomber stürzten sich auf die Panzer, mit Raketen, Bordwaffen und Bomben. Sie ruhten nicht eher, bis auch der letzte Wagen auseinanderbarst.
Die Reste der Abteilung marschierten weiter, kaum bewaffnet, noch fünfzig Mann. »Die wenigsten hat’s erwischt«, sagte Wolzow wütend. »Die meisten sind getürmt.« Sie marschierten bis zum Mittag. Der Himmel bewölkte sich mehr und mehr. Sie erreichten ein Dorf. Von allen Häusern wehten weiße Fahnen. Hauptmann Weber tobte: »Die Fetzen verschwinden!« Wolzow, Holt und Vetter streiften durch die Gehöfte. »Sind noch Truppen in der Nähe?« Ein Bauer wies mit dem Daumen über die Schulter. »Eine Flakbatterie. Die Flieger haben alles zerschossen.« Sie sprachen mit dem Besitzer einer Tankstelle. Der dicke, rotgesichtige Mann rief gedämpft: »Macht Schluß! Jede Stunde können die Panzer kommen!« Wolzow brüllte ihn an, durchschnoberte die Reparaturwerkstatt und blieb vor einer verschlossenen Garagentür stehen. »Aufmachen!« In der Garage stand ein kleiner LKW. »Der Wagen ist beschlagnahmt!« Wolzow holte Leute. Der dicke Mann schrie verzweifelt: »Sie … rauben meine … Existenz!« Wolzow befahl: »Mach ihm eine Quittung, Vetter, Ordnung muß sein!« Vetter setzte sich auf den Pumpensockel und schrieb mit seiner steilen Schülerhandschrift: »Bestätige die ordnungsgemäßeBeschlagnahme eines Lastwagens zum Zweck der Kriegführung. gez. Vetter, Panzerschütze. 5. April 1945.« Der Dicke warf ihm den Wisch vor die Füße. Der LKW rollte zum Wirtshaus, wo die Truppe rastete. Die Soldaten stritten sich um die Plätze auf dem Wagen. Hauptmann Weber befahl: Wolzow! Sie führen den Rest der Leute Richtung Heiligenstadt–Mühlhausen. Wir fahren voraus.« Der Wagen rollte davon. Wolzow blieb mit dreißig Mann zurück, es waren fast alles ältere Soldaten, nur wenige vom ehemaligen Ausbildungszug. Wolzow beriet sich mit Vetter. Vetter erklärte: »Wenn ich nicht erst was zu fressen bekomm, macht mir der ganze Krieg keinen Spaß mehr.« Wolzow gab ihm eine Stunde Zeit. Vetter brach in den Dorfkrug ein, es gab Gezeter, es gab einen schimpfenden Gastwirt, der mit der Mistforke vor Vetters Gesicht herumfuchtelte. Vetter brüllte: »Du sollst der erste gewesen sein, der die weiße Fahne rausgehängt hat, du Verbrecher!«
Holt saß müde auf der Bank vor dem Dorfkrug. Die Szene war ihm gleichgültig. Alles war ihm gleichgültig. Wolzow ließ antreten. Im ersten Glied sagte jemand: »Das beste wär Schlußmachen.« Wolzow drohte: »Wer türmt, ist Deserteur, und Deserteure hänge ich eigenhändig auf.« Man murrte nicht, man zeigte kein Zeichen von Zustimmung. Wolzow setzte sich auf die Bank und sah in den Himmel. Die Sonne hinter dem Gewölk näherte sich dem Horizont. Vetter trat aus dem Haus, verteilte ein paar Dauerwürste und erklärte: »Ich koch in der Waschküche Nudeln!« Wolzow saß unbeweglich. Aber dann sprang er auf.
Das helle Klirren der Panzerketten, das Summen von Motoren … Die Panzer näherten sich rasch. Vetter stürzte schimpfend aus dem Gasthof und raffte Helm und Waffen auf. »Reihe … rechts!« Wolzow führte die Gruppe aus dem Dorf.
Das Dorf zog sich lang hin. Als sie die letzten Häuser hinter sich ließen, dröhnten die Motoren so nahe, daß die Gruppe in panischer Flucht davonstürzte.
Die Landstraße führte nach Norden. Links dehnte sich eine endlose Brachfläche bis zum westlichen Horizont, wo nun die Wolkendecke auseinanderriß und den grellen, gelbroten Strahlenbündelnder Abendsonne Raum gab. Ein paar ferne Buschinseln, dahinter ein lichtes Birkenwäldchen, boten Schutz und Deckung. Dorthin floh die Gruppe, regellos und ohne Befehl. Rechts der Landstraße lag ein Acker, leicht ansteigend zu bewaldeten Bergen am östlichen Horizont, und über diesem Acker breitete sich schon die Dämmerung aus.
Wolzow schrie: »Das ist falsch!« Er orientierte sich mit einem Rundblick, er brüllte:
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