Abenteuer des Werner Holt
wo die Stabskompanie auf ein paar Bauerndörfer verteiltworden war. Hier sollte der Ausbildungsdienst weitergehen, aber der Zug lungerte nur untätig herum, denn Wehnert suchte sich ein Quartier im Nachbardorf und kümmerte sich um nichts. Unteroffizier Boek saß den ganzen Tag im Wirtshaus und legte Patiencen. Wolzow riß alle Befehlsgewalt an sich. »Noch ein paar Tage Untätigkeit, und der Zug wird nicht wieder kampffähig«, sagte er. »Diese Banditen schreiben sich schon die beste Bahnverbindung nach Hause auf!« Holt war seit Wieses Tod wie erloschen, interesselos, er ließ sich treiben. Er hörte geflissentlich keine Nachrichten. Zeitungen gelangten nicht ins Dorf. Ostern besuchte Wolzow die Kompanie, und als er zurückkam, zog er Holt beiseite: »Wir werden eingesetzt! Es wird höchste Zeit!« Er trommelte den Zug aus den Quartieren. »In einer Stunde marschfertig!« Boek zog ein Gesicht, als habe er Essig im Mund.
Wolzow setzte sich zu Holt in die Gaststube. »Burgkert ist wieder da. Der Russe steht an Neiße und Oder. Der Amerikaner ist überall durchgebrochen. Das Ruhrgebiet ist eingeschlossen. Panzerspitzen nähern sich Fulda und Weser. Osnabrück ist genannt worden. Marburg, Gießen … Da wird es Zeit, daß wir zuschlagen!«
Holt antwortete nicht.
Zwei Lastwagen standen bereit. Wehnert blieb im Nachbardorf bei der Kompanie. »Möcht wissen, warum der nicht mitkommt«, knurrte Wolzow. Sie fuhren nach Westen. In der Nacht erreichten sie ein einsames Gasthaus, im Walde. Hier lagerten Soldaten über Soldaten. Wilde Gerüchte liefen um. Vetter erzählte: »Panzer sollen bereitstehn, unheimliche Massen! Wir fahren eine ganz große Gegenoffensive!« Wolzow studierte die Karte. »Wir sind hier südlich Kassel … Der Fluß war die Fulda!« Er sah sich um, tatsächlich standen Panzer bereit, getankt und munitioniert, Panzer III mit der 5-Zentimeter-Kanone, ein paar Wagen umbewaffnet auf die 7,5-Zentimeter-Kampfwagenkanone L 24.
Bei der Einteilung wurden sie auseinandergerissen. Wolzow wurde Kommandant, Holt fuhr als Funker. Die Wagen waren klein und eng, drei Kompanien, vierzig Panzer. Die Mannschaften traten an. Es war noch dunkel. Nun tauchte auch Leutnant Wehnert auf, als Kompanieführer.
Ein Panzer richtete den scharfen Lichtkegel des Scheinwerfers auf einen einarmigen Offizier. Hauptmann Weber! Der Einarmige galt als Draufgänger, als einer, der den letzten Mann hinopferte. Er schrie mit heiserer, durchdringender Stimme: »Deutsche Panzersoldaten! Der Führer ruft zu neuem Kampf im alten Geist. Wo immer deutsche Panzermänner fochten, dort fochten sie siegreich. Wo immer …«
Holt war in Gedanken wieder weit entfernt. Seit ich aus dem Lazarett weg bin, hab ich nichts mehr von Gundel gehört, dachte er. Seine Gedanken flüchteten jetzt oft zu Gundel, um dort nur neue Unruhe zu finden. Der Morgen erwachte.
»Unserem Führer ein dreifaches …« – »Hurra! Hurra! Hurra!« – »An die Wagen … weggetreten!«
Die Motoren liefen warm. Die Abteilung fuhr los. Der Fahrer in Holts Wagen, ein alter, müder Mann, rief durch den Bordfunk: »Wenn Jabos kommen … sag mir’s ganz schnell, daß ich rauskann!« Holt saß auf dem Heck. Der Befehl lautete: Die Funker-MGs werden ausgebaut, zur Abwehr von Tieffliegern. Holt hielt das kolbenlose MG auf den Knien. Die Chaussee war schlammig. Sie fuhren nach Westen, dann nach Südwesten. Es wurde hell. Der Tag war klar und wolkenlos.
Hoch am Himmel brummte eine Kette Jagdbomber heran. Sie stießen mit heulenden Motoren auf die Straße herab. Fast alle Wagen hielten, die Besatzungen flüchteten nach links in den nahen Wald. Ein paar Panzer fuhren nach rechts auf freies Feld und kurvten in Schlangenlinien über den Acker. Holt warf das MG in den Dreck, rannte zum Wald und ließ sich ins Gebüsch fallen. Auf dem Feld, auf der Chaussee flogen die vollgetankten Panzer in die Luft, beim ersten Anflug drei, beim zweiten vier, dann war schon eine neue Kette Jagdbomber am Himmel. Die Raketen zischten. Brennendes Benzin floß über die Straße. Immer neue Anflüge. Es war ein Scheibenschießen.
Holt kroch tiefer in den Wald. Er stieß auf Wolzow und Vetter. Eine Mustang raste flach über das Feld, mit stark gedrosseltem Motor, suchte sich einen unbeschädigten Panzer, feuerte mitBordkanonen in ihn hinein und zog steil nach oben. Der Panzer krachte auseinander. Der Motorenlärm verstummte. In den brennenden Panzern detonierte Munition. »Sammeln!« rief es dünn durch
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