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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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gelbe Licht der Petroleumlampe auch ein bekanntes Gesicht beleuchten.
    Eine geschlagene, ausgeblutete Truppe, dachte Holt weiter, lag draußen zwischen Bäumen und Büschen und in zerbombten Kellern und schlief in tödlicher Erschöpfung, kaum einer ohne durchbluteten Verband, ohne Gehirnerschütterung, ohne Nervenschock.
    Es war, als zerbreche etwas in Holts Brust. Der dort, dieserWolzow, dachte er, steht an der Karte, draußen liegt die Truppe, das sind Menschen, und sie sind doch nichts als die einfachste Größe in einer Gleichung mit vielen Unbekannten, sind nur Pfeile auf der Karte, Schachfiguren, kleine Symbole im großen Sandkasten, sind Gegenstände für Wolzow, sonst nichts. Was aber ist Wolzow für sie, für mich?
    Eine Ahnung beschlich Holt, verdichtete sich, wurde zur Gewißheit. Es nahm ihm den Atem. Die Binde fiel von seinen Augen, das dunkle Zimmer wurde hell.
    Er
ist ihr Schicksal.
    Schicksal, dachte er, Vorsehung, Gott, wir sind ausgeliefert, Figuren im großen Spiel …
Schicksal
, dachte er,
mein Schicksal heißt Wolzow
.
    Wo hab ich meine Augen gehabt, meinen Verstand? Mein Schicksal ist ein Mensch, ein lebender Mensch mit Leib und Hirn und schlagendem Herzen, der sich Macht anmaßt über Leben und Tod, er oder ein anderer, wie hier im Keller, so überall, im ganzen Land, im Kleinen, im Großen … Und er sah nun: Das Anonyme, das System, wohlgeordnet, mit Rangabzeichen und Uniformen, eine Hierarchie der Gewalt ist unser aller Schicksal! Lüge, Betrug war alles, Verdummung war Gott und die Vorsehung nichts als Berechnung! Nicht Schicksalsmacht über Getriebenen, hieß es, nicht Vorsehung über vorgezeichnetem Weg, nicht Gott über Irdischen, Sterblichen, sondern Menschen über Menschen, Machthaber über Machtlosen, und immer Sterbliche über Sterblichen!
    Er faßte Wolzow ins Auge. Er hatte noch nie mit solcher Klarheit in einen Menschen hineingesehen. Dieser Unteroffizier mit der Leutnantsmütze, der den Kopf voller Pläne hat, voller durchführbarer und undurchführbarer, auf jeden Fall aber mörderischer Pläne, zugleich voller historischer Ereignisse und Parallelen, für jeden Fehler ein Beispiel und für jeden Toten ein Beispiel, dieser Mensch dort, nicht anders als Ziesche und Ziesches Vater, Böhm, Wehnert und wie all das Gesindel hieß, ist ein Symbol: ein Verbrecher, der mit angemaßter Macht Mensch auf Mensch in den Tod schickt, ein Mörder von Berufung und Beruf. Und ich war sein Werkzeug, seine Kreatur, sein Zutreiber, dachte Holt.
    Das Gefühl der Schuld stieg in ihm hoch. Es wollte ihn zurückstoßen in die alte Apathie: Ich hab auf der falschen Seite gestanden, von Anfang an, in der Slowakei, im Osten, immer, bis heute. Ich hab alles mitgemacht. Ich hab geschwiegen und zugesehn.
Etwas davon war auch in mir
. Und nun bin ich schuldig.
    In seinem Inneren braute sich ein neues Gefühl zusammen: brennender Haß. Er verstand nun alles. Er verstand den Ausbruch Gomulkas, damals, an der Panzersperre, er verstand die Worte des Gefreiten: Das sind sie! Das will nicht aussterben, das mordet weiter. Sie sind die schlimmsten. Und er erkannte, auf welche Seite er gehört hätte: zu Sepp, zu dem Gefreiten, zu der Slowakin, zu den Gestreiften. Er sah auf Wolzow: Das sind sie, unsre Verderber, und der dort bereitet schon neue Morde vor, zeichnet Angriffspfeile und erklärt, warum ein Teil der Kräfte von Norden angesetzt wird … ein Teil der Kräfte, alles in allem fünfzig Mann!
    Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen: Das Stückchen Land ringsum, dieses Dreieck der Dörfer, Chaussee, Hügel und Bach, das war nichts anderes als ein überdimensionaler Sandkasten, in dem Wolzow Schicksal spielte mit Machtlosen und Verderben plante, sinnlos und mit der gespenstischen Lust eines Menschen, der einer zweihundertjährigen Mörderfamilie entstammt.
    Späte Erkenntnis, zu späte Erkenntnis. Signale über Signale wurden mißdeutet und überhört: alles umsonst, dreckige Arbeit, Chlorkohlensäuremethylester, Russengefangene, Zähneeinschläger, Schulhof, Sägemühle, Zug der Gestreiften. Ich war blindes Werkzeug des Verbrechens, Handlanger des Unrechts. Schaurige Bilanz! Achtzehn Jahre umsonst gelebt, achtzehn Jahre mißbraucht und betrogen, und nun schuldig, schuldig. Und der Haß wuchs und schlug wie eine Flamme in ihm hoch: Im Ende lehn ich mich auf, gegen das »Schicksal«, ich biet ihm die Stirn, ich bin stärker, ich spring in die Schranken.
    Ich lege Wolzow das Handwerk.
    Wolzow sagte: »Wir werden

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