Abenteuer des Werner Holt
Geschrei der Verwundeten. Aber schon zitterte die Erde unter den herannahenden Panzern. Die vier Shermans rollten feuernd den Graben entlang, Brustwehr samt Besatzung mit breiten Ketten zermalmend, ein paar Panzerfäuste detonierten, ohne zu treffen, und die Panzer krochen auf die Landstraße und rollten in die Stadt, wo sie die letzte Pak empfing. Aber da riß das Hurra der Angreifer die Überlebenden aus dem Graben hoch.
Holt tauchte aus dem Loch, Augen und Mund voll Sand, riß das MG auf die Brustwehr, zögerndes Schießen setzte ein, Handgranaten barsten. Die Amerikaner waren am Graben, liefen nach links zur Straße hin; dort war der Einbruch gelungen. Die braunen Gestalten sprangen in den Graben und rollten ihn auf … Wolzow brüllte. Holt warf das MG herum. Die Amerikaner strömten regellos und ungeordnet zur Einbruchstelle. Wolzow warf Handgranaten. Wo die Landstraße zwischen die ersten Häuser führte, hieben die Amerikaner alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte oder sein Heil in der Flucht suchte … Wolzow kletterte aus dem Graben, brüllend: »Vorwärts!« Auf der Landstraße stieß die Pak zwischen den Häusern hervor und in den Haufen der Amerikaner hinein, gefolgt von dem Zug, an dessen Spitze Vetter stürmte. Die verwirrten Amerikaner gingen zurück. Die Pakfeuerte Sprenggranaten unter die Fliehenden, rollte weit die Landstraße vor und beschoß die Fahrzeuge auf der Chaussee. Wolzow raffte ein paar Leute zusammen und riß sie mit gegen die Landstraße, wo Vetters Leute mit Kolben und Seitengewehr auf die Amerikaner eindrangen. Holt schleppte keuchend das MG, an der Hüfte angeschlagen, die Rechte am Zweibein, die Linke am Abzug. Noch hielt sich unter einer Baumgruppe ein Dutzend Amerikaner, um einen Neger geschart, aber als der Neger fiel, war das Handgemenge entschieden.
Die Kompanie behauptete den Flecken und den verschütteten Graben.
Wolzow geriet in Raserei. Er trieb, im Gesicht weiß vor Wut, einen der jungen Soldaten vor sich her, der während des Handgemenges ins Gebüsch geflüchtet war, trieb ihn zum Straßenrand und schoß ihn nieder. Vetter erschoß mit seinen Leuten ein paar khakifarbene Gestalten, die schon in die Stadt eingedrungen waren und nun vergebens die Hände hoben. Man erschoß auf Wolzows Befehl auch die Verwundeten. Die viel zu weit vorgeprellte Pak stand in Flammen. Aber das alles entging Holt. Er saß weit abseits auf einer Munitionskiste bei den Villengärten, er hatte den Helm abgebunden und vergrub das Gesicht in den Händen.
Ruhe trat ein. Endlich wurde es Abend.
14
Im Gefechtsstand brannte eine Petroleumlampe. Wolzow schnallte das Koppel mit der Pistole ab und warf es auf die Bank zwischen die Telefone. Auch Vetter legte die Waffen weg, öffnete den Kragen der Feldbluse und beugte sich dann prüfend über den Leutnant.
»Jedenfalls hat die Kompanie die Stellung gehalten«, sagte Wolzow.
Unteroffizier Winkler stand nahe der Tür; er machte eine fahrige Handbewegung. »Die Kompanie?« Seine Stimme war vom Schreien brüchig. »Es gibt keine Kompanie mehr. Noch fünfzig Mann. Sie sind fertig.«
»Die müssen sich erholen«, sagte Wolzow barsch. »Die müssen weiterkämpfen. Meinetwegen teil Schnaps aus.« Aber Winkler machte keine Anstalten, den Keller zu verlassen. »Die Jabos …«, sagte er heiser, und sein Gesicht war eingefallen, wie tot, und nicht einmal mehr Angst hatte darin Platz, »die Jabos … und unsere Verluste … Es ist Wahnsinn!«
Wolzow schaute auf. Winkler verstummte unter seinem Blick. Wolzow trommelte nervös mit den Fingern auf der Karte. »Die Verwundeten nach Bucheck zurück. Vetter! Häuser am Stadtrand herrichten zur Verteidigung. Feldwachen draußen lassen. Jetzt wird aus den Häusern gekämpft!«
Vetter schrie hackenknallend: »Jawohl, Herr Unteroffizier!« Er raffte Koppel und Maschinenpistole auf. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß.
Wolzow telefonierte mit Bucheck. Er sprach kaum ein Wort und hörte mit unbewegtem Gesicht, was am anderen Ende in die Leitung gesprochen wurde. »In Bucheck ist SS eingetroffen.« Er legte den Hörer auf. »Die werden den Wehnert hängen«, sagte er, während er zum Tisch trat. Dann stand er lange über die Karte gebeugt.
Winkler lehnte erschöpft am Türpfosten. Er hielt die Augen geschlossen, sein Brustkorb hob und senkte sich, als sei er noch immer außer Atem. Er hatte den Helm nicht abgelegt, um seinen Hals hing die Maschinenpistole. »Wolzow«, sagte er, »der Junge … der
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