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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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fragte sie, noch deutlicher spottend. Er fühlte sich herausgefordert. »Ach wo, gar nicht! Meistens sogar recht … harmlos. Bloß vorhin, als Peter spielte, da war ich froh, daß niemand Gedanken lesen kann.«
    Sie setzte die Worte blitzblank nebeneinander, wie gebastelt, und es war nun kein Spott mehr, sondern nur noch Belustigung. »Jetzt bin ich buchstäblich verpflichtet zu fragen: Woran dachten Sie?«
    »An Sie«, sagte er heftig und schaute auf den kiesbestreuten Boden. Ihr Schweigen ermutigte ihn. »Sie sind das schönsteMädchen in der Stadt.« Erst ein paar Schritte weiter antwortete sie: »Das Zeugnis, das Ihnen Ihr Lehrer ausstellte, ist lückenhaft. Sie können auch liebenswürdig sein.«
    Die Gäste standen bei einem Aprikosenbaum. »Wer klettert hinauf und pflückt für die Damen Aprikosen?« schnarrte der Leutnant und warf einen aufmunternden Blick auf Holt und Wiese. Holt trat auf den Rasen, packte den Stamm und rüttelte. Er hob die größten und schönsten Aprikosen auf und brachte sie Uta. Sie dankte mit keinem Wort, aber sie sah ihn eine Sekunde lang nachdenklich an. Sie brach eine der überreifen Früchte auf, warf den Kern zu Boden und reichte ihm eine der Hälften. Dann ließ sie ihn stehen, nahm den Leutnant am Arm und verschwand mit ihm im Haus.
     
    7
     
    Holt packte bei den Schwestern Dengelmann seine Sachen zusammen, erzählte etwas von Ernteeinsatz, anschließender Ferienreise und daß er sich irgendwann wieder einfinden werde … Dann lief er mit prallem Rucksack zu Wolzow.
    Den Abend verbrachten sie in der Halle vor dem Kamin. Holt verschwieg seine Vereinbarung mit Wiese, aber er erzählte, daß er Uta Barnim kennengelernt habe. Wolzow fragte grinsend: »Na, und die Krüger?« – »Das ist doch etwas anderes!« sagte Holt unwillig.
    »Mein Aufmarschplan für die Sache mit Meißner ist fertig«, erklärte Wolzow. »Wir machen das am Freitag.« Sie mußten also spätestens Donnerstag abend den Ernteeinsatz abbrechen. Holt war einverstanden. Als Ort fand Wolzow den einsamen Rabenfelsen am besten geeignet. Ein fingierter Brief sollte Meißner hinlocken. Wie Wolzow herausgebracht hatte, machte Meißner zur Zeit einem rothaarigen Mädchen namens Suse den Hof. Sie war bei einem Photographen beschäftigt und, wie jeder wußte, verlobt.
    Holt entwarf ein paar Zeilen, die er Wolzow vorlas: »Lieber Herr Meißner, ich muß Sie unbedingt sprechen, ehe Sie einrücken, und Sie dürfen mir diese Bitte nicht abschlagen. Man darf michnicht mit Ihnen sehen, wie Sie verstehen werden; kommen Sie also Freitag abend einundzwanzig Uhr zum Rabenfelsen, aber kommen Sie bitte bestimmt! Ihre Suse.« – »Na, liebe Suse, da hör ich’s aber im Stroh rascheln«, sagte Wolzow. – »Unsinn. Daß man sie nicht mit ihm sehen darf, bezieht er auf ihren Verlobten.« – »Gut. Ihre Handschrift wird er nicht kennen, er hat bei ihr bisher auf Granit gebissen.« – »Woher weißt du das alles?« Wolzow antwortete: »Ich hab meine Quellen. Jeder Feldherr hat seine Geheimagenten.«
    Holt schrieb den Text auf rosa Briefpapier, Wolzow begoß den Umschlag mit Parfüm. Holt malte deutsche Sütterlinschrift, eckig, geziert, leicht nach hinten geneigt. Holt entwarf auch den Revers, den Meißner unterschreiben sollte. »›Ich erkläre, daß ich mit Ruth Wagner ein heimliches Liebesverhältnis gehabt und sie in schwangerem Zustand durch Drohungen eingeschüchtert und fortgejagt habe …‹« – »Schwangerer Zustand ist gut!« unterbrach Wolzow. Holt las weiter: »›Sie hat daraufhin durch meine Schuld Selbstmord verübt. Unterschrift.‹« Er ließ das Papier sinken. »Ich glaube, das unterschreibt er nie!« – »Er unterschreibt. Laß mich nur machen.«
    Ein Gefühl von Angst beschlich Holt. Worauf laß ich mich ein? Aber Wolzow steckte den Schein so gleichmütig in die Brieftasche, daß Holts Sorge schwand.
    Am Morgen brachte Gomulka die beiden Gewehre. Zu dem schweren, altertümlichen Stutzen gehörte eine große Tasche mit Zubehör: Kugelform, Gießkelle, leere Patronenhülsen, Zündhütchen, zwei Lederbeutel voll Schwarzpulver, ein kleiner, mit der Hand zu betreibender Blasebalg. »Ich brauch noch Salpeter und Schwefel, habt ihr Geld?« Wolzow trug in der Jacke die Scheine, die er im Gepäck seines Vaters gefunden hatte. »Blei fehlt?« fragte er. »Da reiß ich hier irgendwo ein Wasserrohr raus, kommt in der Bruchbude gar nicht drauf an!« Er riß das Wasserrohr im Bad neben seinem Zimmer ab und verkeilte den

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