Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
Vom Netzwerk:
aufwiegeln! Wenn ihr so weitermacht, gibt’s Jugendarrest!«
    »Zwanzig«, sagte Vetter. Gomulka sagte: »Hab ich!« – »Wir geben eine Meldung an den Bann. Wenn ihr gehorcht, laß ich euch aus!« – »Vierundzwanzig«, sagte Vetter. Gomulka sagte: »Na ja doch, schon lange!«
    Holt fühlte die Augen des Mädchens auf sich gerichtet, schob den Stuhl zurück und sagte: »Wir bleiben!« Wurm wechselte einen Blick mit Barth. Holt zog den Kopf zwischen die Schultern … Da wurde er sanft, doch unwiderstehlich zur Seite gezogen.
    »Fang du nicht an!« sagte das Schankmädchen hastig. Er sah ihre Augen, die dunkelgrau waren, und auf ihren Lippen standen ein paar winzige Speicheltröpfchen. Sie warf einen Blick zur Theke, denn dort rief man nach ihr. Sie flüsterte, nahe an seinem Gesicht: »Nach zwölf … über den Korridor die Treppe hoch, links die letzte Tür … warte dort … wenn du jetzt Ruh gibst!« Er sah sie bei der Theke, verwundert, verwirrt, er dachte: Das muß alles ein Irrtum sein …
    »Passe!« krähte Vetter, durch Holts und Wolzows Widerstand ermutigt. Gomulka sagte: »Grand! Schneider. Ich hab Vorderhand.« Wurm rückte sein Koppel zurecht. »Gut. Ihr habt’s euch selbst zuzuschreiben. Komm, Otto!« – »Raus mit dem Onkel«, sagte Gomulka und warf einen Buben auf den Tisch. Hinter Wurm und Barth schloß sich die Tür.
     
    Es schlug Mitternacht. Holt sagte zu Gomulka: »Ich geh voraus.« Er trat durch die Tür auf die Dorfstraße.
    Die Silhouetten der Gehöfte verschwammen in der Nacht. Weit entfernt kläffte ein Hund. Der Lärm aus dem Wirtshaus klang gedämpft und unwirklich ins Freie. Holt zog fröstelnd die Schultern zusammen.
    Die Treppe hoch, links das letzte Zimmer … Er war ganz ruhig. Die Träume lügen. Das Leben ist ganz anders. Worauf soll ich warten? Er ging ein paar Schritte in die Nacht hinaus, der Lärm versank schon hinter ihm, nun war es still ringsum. Aus der Schenke traten Bauern. Er lief um das Haus und durchs Tor auf den Hof. Er fand den dunklen Korridor seltsam vertraut, als habe er sich von Kindheit an hier bewegt, auch die Treppe war er schon hundertmal emporgestiegen … Nun einige Türen aus rohen Brettern, das ist wie daheim auf dem Dachboden, wo man heimlich in Kisten herumstöberte, voller Angst vor Entdeckung … Er zog die Tür hinter sich ins Schloß und sah sich in der kleinen Kammer um. Er tappte am Bett vorbei und verharrte bewegungslos am geöffneten Fenster, bis sich die Stimmen seiner Freunde in der Ferne verloren.
    Eigentlich war ich immer allein, auch daheim, bei Mutter. Eigentlich habe ich immer Sehnsucht gehabt, nach irgendwem, nach irgendwas. Angst und Sehnsucht. Komm! Auf einmal bist du da, aufgelöst in Dunkelheit.
    Sie zog ihn vom Fenster fort, dann schlug sie das Federbett zurück. Ihre Kleider raschelten. Er handelte willenlos, als sei er nicht voll bei Bewußtsein, und erst, als ein verknoteter Schnürsenkel seine Ungeduld hemmte, setzte dröhnend der Herzschlag ein und dauerte fort, bis er neben ihr lag und ihren Körper an seinem fühlte.
     
    Der Morgen stieg über die Dächer der Bauernhäuser. In der Schule blieb Holt eine Stunde Schlaf, ehe die Trillerpfeife Barths ihn weckte.
    Er hielt den Kopf unter die Wasserleitung. Dann arbeiteten sie auf dem Feld.
    Sie beluden Erntewagen, zwei Tage lang. Die Arme und Schultern schmerzten. Am dritten hatte Wolzow genug. Er erklärte: »Das ist eine viel zu unkriegerische Arbeit für mich! Kommt ihr mit baden?« Sie gingen nicht mehr aufs Feld zurück. Sie packten am Nachmittag unbemerkt ihre Rucksäcke und marschierten zur Bahnstation. Holt warf einen Blick zurück, auf das Dorf, auf dasWirtshaus. Während der Fahrt saß er schweigend am Fenster. Er hörte nicht, daß Wolzow Fragen an ihn richtete.
    Er grübelte, ob die Wirklichkeit gehalten habe, was einstmals Traum und Phantasie versprachen … Er wußte nicht einmal ihren Namen. Er dachte an die Marie Krüger. Er dachte an Uta.
    Als sie anderentags in der Wolzowschen Villa das Gepäck zu großen Ballen zusammenschnürten, als Holt an den Abend, an Meißner dachte, und an die Nacht, die Flucht in die Berge, wurde die Unruhe in ihm so stark, daß er nach kurzem Nachdenken sagte: »Ich muß noch mal fort.« – »Wo willst du denn hin?« fragte Wolzow verwundert. – »Zu Barnims.« Wolzow blickte unzufrieden drein. »Egal Weibergeschichten«, sagte er. »Na los, hau ab, aber laß dich nicht sehen!« Holt wusch sich in der Küche die Hände, reinigte

Weitere Kostenlose Bücher