Abenteuer des Werner Holt
dauerte nur eine Sekunde.
»Vetter liegt außerhalb des Kreises, der Kampf ist beendet, Wolzow ist Sieger«, erklärte Gomulka. Holt besah sich die Schnittwunde. »Ein Kratzer, nicht der Rede wert.«
Vetter saß im Gras und heulte. »Alle verspotten mich«, sagte er schluchzend. »Ich kann doch nicht dafür, daß ich so dick bin … Ich bin kein Feigling!« rief er. »Meine eigene Sippe verhaut mich immer, und keiner will mein Freund sein! Aber ich mach das nicht mehr mit! Ich geh in die weite Welt …« Holt klopfte ihm auf die Schulter. »Hör auf zu heulen! Wenn du durchbrennen willst …« Er sah auf Wolzow. Wolzow grinste und nickte. »Komm mit uns. Wir machen den Laden hier dicht.« – »Wenn du ein einziges Wort verrätst«, drohte Wolzow, »knall ich dich einfach ab!« Er stieß Zemtzki in den Rücken. »Das gilt auch für dich!«
Vetter trocknete sich die Tränen ab. Er stammelte: »Wirklich?
… Wirklich?« Wolzow verteilte Zigarren. Die Sonne stand tief über den Bergen, der riesige Schatten des Felsens hüllte die Jungen ein.
Holt erzählte von Wolzows Plan und von der Höhle. Wolzow setzte hinzu: »Wir brauchen deine Gewehre, Sepp … Wir schießen Wild. Dort gibt es genug Hasen und Rehe. Die Hunnen haben auch bloß Fleisch gegessen.«
Zemtzki und Vetter saßen mit offenem Mund dabei; aber Gomulka dachte lange nach. »Wir fliegen alle von der Penne, das ist euch klar?« – »Niemand fliegt!« rief Wolzow. »Wir sind verschwunden! Wenn wir einrücken, sind wir eben wieder da. Ich wette, daß dann keiner mehr an Rausschmeißen denkt! Wir werden doch alle bei der Flak gebraucht!« – »Das ist richtig«, sagte Gomulka. »Und dort hinten finden sie uns nicht, da müßte die Polizei mit ein paar hundert Mann die Wälder durchkämmen …«
»Also … Also … Gilbert!« rief Vetter plötzlich außer sich. »Wenn ihr mich mitspielen laßt … ich schwör dir ewige Gefolgschaft!« Sein Gesicht, das von der Ohrfeige geschwollen war, strahlte. Holt sagte: »Wir müssen alle schwören!« Dann standen sie im Kreis, mit erhobenen Schwurfingern. »Wir wollen treue Kameraden und Freunde sein und zusammenhalten, was auch kommt, jetzt und im Krieg. Der Wolzow soll unser Führer sein, und wir wollen ihn nie im Stich lassen.« – »Wer so einen Eid bricht, ist ein Lump!« sagte Vetter. Holt sah stumm auf Wolzow, auf das harte Profil mit der Adlernase.
»Wißt ihr, warum das hier Rabenfelsen heißt?« fragte Gomulka, als sie aufbrachen. »Hier soll mal einer einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, und der Teufel ist ihm in Gestalt eines schwarzen Raben erschienen.«
Niemand schloß sich vom Nachtmarsch zur Höhle aus.
6
Tags darauf ging Holt über die Liegewiese zu seiner Kabine, zwischen den vielen Menschen hindurch, die den heißen Nachmittag am Wasser verbrachten. Er wusch sich im Fluß den Staub der langen Wanderung vom Körper, dann schlenderte er über das Floß.
Beim Sprungturm saß Peter Wiese mit einem großen, blonden Burschen. Holt blieb überrascht stehen: Wiese und Hartmuth Meißner? Wiese winkte, Holt dachte: So ein Zufall! Er grüßte katzenfreundlich und sah sich Meißner an, interessiert und abschätzend. Er hatte ihn bisher nur flüchtig gesehen. Ein großer, kräftigerBursche mit muskulösem, trainiertem Körper, sehr braungebrannt. Ein eckiges Gesicht und kalte, farblose Augen. Das Haar war fast weiß. Wiese stellte sie einander vor.
»Schon gut!« sagte Holt. »Wer kennt den Hartmuth Meißner nicht?«
Meißner wandte ihm langsam das Gesicht zu. »Was soll das heißen?« fragte er. Holt lächelte. Es war ein Nervenkitzel. »Na, eben dies und das.« – »Du bist rotzfrech«, meinte Meißner, aber Holt unterbrach ihn rasch: »Sollst dauernd Weibergeschichten haben. So was spricht sich rum.« – »Hast du da was Bestimmtes gehört?« – »Kann man’s wissen?« fragte Holt zurück. Er hielt Meißners Blick stand, er tat ganz harmlos, aber er fühlte dabei Haß in sich aufsteigen. Warte nur, bald stehen wir uns anders gegenüber!
Er legte sich lang auf die sonnenheißen Bretter. »Hast ja recht«, sagte er. »Wenn man bald einrückt, da nimmt man eben noch mit, was sich bietet.« – »Für so einen Standpunkt bist du noch ein wenig grün«, erwiderte Meißner. – »Was sind schon die paar Jahre, die du älter bist als ich! Wir haben alle die gleiche Philosophie.« – »Und die wäre?« – »Leben und leben lassen«, sagte Holt.
Meißner, der schläfrig in der Sonne
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