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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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Glied und ließ wiederholen: Seitenrichtkreis, Höhenrichtbogen und Zünderstellmaschine. Es dauerte Tage, bis sie das Geschütz bedienen lernten.
    Sie unterhielten sich immer wieder über diese Form des Drills. Wolzow sagte: »Es gibt Situationen, wo das Denken versagt. Da muß alles automatisch in den Gliedern sitzen. Die Ausbildungsmethoden sind für alles mögliche Kroppzeug, Müllkutscher, Straßenkehrer … Die sind so blöd, daß sie das nie kapieren würden, deshalb wird es bis zum Kotzen gepaukt!« Er berief sich auf die Autorität eines Obersten. »Mein Vater hat immer gesagt, die militärischen Ausbildungsvorschriften sind so beschaffen, daß es auch das größte Rindvieh noch kapiert!«
    Die Jungen, die am Feuerleitgerät ausgebildet wurden, spielten sich mächtig auf. »Mit uns macht der Wachtmeister den ganzen Tag Flakschießlehre, es ist hochinteressant!«
    Gomulka, als er einmal mit Holt allein vor der Barackentür stand, sagte: »Die Sache hat noch eine Kehrseite. Drill versüßt uns den Einsatz.« – »Du hast recht. Wenn ich anfangs an den Einsatz dachte, war mir ziemlich komisch … Heute wollte Schmiedling zum fünfzigstenmal wissen, welchen Seitenwert Richtung sieben hat. Da hab ich gedacht: Mag’s im Ruhrgebiet noch so schlimm werden … jedenfalls ist dann dieser sture Mist vorbei!«
    »Das wollen sie erreichen.« Gomulka nickte. »Hier ist das recht harmlos«, fuhr er fort, »ich staune, wie anständig sie mit uns umgehn. Die Rekruten in der Kaserne, die werden derartig geschliffen, daß ihnen die Front wie’s Paradies erscheint … Wer schon mal draußen war, läßt sich allerdings lieber schleifen«, setzte er hinzu. Holt lachte. »Die große Wende wird schon kommen!«
    »Fragt sich bloß wie!«
    »Aber Sepp!« sagte Holt vorwurfsvoll. »So kann man nicht reden!«
    »Ich rede nur zu dir so«, erwiderte Gomulka. »Ich überleg manchmal, ob wir nicht alle … die Augen zumachen, was den Krieg angeht!«
    »Solche Gespräche«, sagte Holt, »… und solche Gedanken … das untergräbt die Moral, Sepp!«
     
    Die Kanoniere hießen K 1 bis K 9 und wurden vom Geschützführer befehligt. Jeder hatte seinen Platz und seine Aufgabe. Der Geschützführer war durch eine Telefonleitung mit der Befehlsstelle verbunden, von dort erhielt er alle Anordnungen einschließlich des Feuerbefehls. Die Feuerglocke gab dem K 3, dem Ladekanonier, das Signal zum Laden und Feuern. »Dös heißt net Schuß, sondern Gruppe«, erklärte Schmiedling und wiederholte zehnmal, daß dem Geschützführer absolut und bedingungslos zu gehorchen sei! Oft komme es vor, daß ein Luftwaffenhelfer die Funktion des Geschützführers übernehme; dann schulde man ihm den gleichen Gehorsam.
    Die neun Kanoniere mußten ihre Aufgaben erst einmal in Form von neun Sprüchen erlernen, und jeder mußte jedes Sprüchlein auswendig wissen. K 1 war Höhen- und K 2 Seitenrichtkanonier. K 6 bediente die Zünderstellmaschine. K 3 war der Ladekanonier, nächst dem Geschützführer der angesehenste Mann. K 4, K 5, K 7, K 8 und K 9 nannten sich Munitionskanoniere, und sie genossen das geringste Ansehen. Das alles, verlangte Schmiedling immer wieder, müsse man im Schlaf beherrschen.
    »Weißt du was?« sagte Wolzow eines Abends zu Holt. »Von wegen ›im Schlaf beherrschen‹! Wir probieren das mal!« Gomulka, der nachts halb zwei wach wurde, weckte Holt, und gemeinsam holten sie Wolzow aus dem Bett. »Wen nehmen wir?« – »Den Branzner, das Rindvieh«, brummte Wolzow. Zu dritt umstanden sie Branzners Bett. Wolzows Taschenlampe leuchtete. Die Nachthemden reichten nur bis an die Knie, verwaschen und immer wieder geflickt. Holt sah auf Wolzow, dem das Hemd viel zu eng war. Über dem mächtigen Brustkorb spannte es sich zum Zerreißen, unten schauten die stachlig behaarten Beine hervor.
    »Los!« Gomulka und Holt faßten Branzner links und rechts an den Armen, rissen ihn hoch, und Wolzow leuchtete ihm ins Gesicht und brüllte: »Los! K 2!«
    »K 2 stellt laufend … laufend …«, stammelte Branzner erschrocken und schlaftrunken, dann kam er zu sich, und nun ging es wie am Schnürchen: »K 2 stellt laufend mit Hilfe der Seitenrichtmaschine die vom Kommandohilfsgerät durchgegebenen Seitenrichtwerte am Seitenteilkreis ein und beobachtet den Umdrehungsanzeiger!« So, das war geschafft, und Branzner fügte hinzu: »Mensch, ihr spinnt wohl … mitten in der Nacht!«
    »Schnauze! K 6, los!« Aber da weigerte sich Branzner. Sie sahen sich nach einem neuen

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