Abenteuer des Werner Holt
weisen. Er kratzte sich den Hinterkopf, nahm das Käppi ab, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, und befahl fünf Minuten Pause, die man im Mannschaftsbunker verbrachte.
Der Unterstand, den Holt gebückt durch einen schmalen Eingang betrat, nahm die volle Breite des Geschützstandes ein. An den Wänden entlang waren Holzbänke aufgestellt. Holt sah einen Verbandkasten, an eisernen Haken die Hörgarnituren der Richtkanoniere und des Geschützführers, einen Kasten mit Werkzeug und Putzlappen und in einer Ecke einen schweren stählernen Vorschlaghammer. Wolzow, Holt und Gomulka rauchten. »Man muß es dem Schmiedling leicht machen«, sagte Holt, »er ist ein guter Kerl …« – »Aber wenn das nicht etwas flotter geht«, sagte Wolzow, »dann mach
ich
den Unterricht weiter.« Schmiedling steckte den Kopf in den Bunker und rief: »Für Ihnen is Rauchen verboten!« Holt hielt ihm die Schachtel hin; tatsächlich, Schmiedling bediente sich …
Dann quälte er sich weiter ab. »Jetzt wird dös schwierig! Dös is a Flakgeschütz, net wahr. Aber dös Gschütz is ka Gschütz net, verstehen S’?« Wolzow entwirrte den Knoten, und Schmiedling war begeistert. »Wenn S’ so gnau Bscheid wissen, dann könn S’ dös erklärn, und i spar mir’s viele Gered!« Geschütz, das sei ein Sammelbegriff für schwere Feuerwaffen, Geschütze im engeren Sinne seien schwere Feuerwaffen für indirekten Beschuß mit großem Abschußwinkel, so etwa hatte Wolzow erklärt. Dies hier sei eine Kanone, flachfeuernd, mit langem Rohr und hoher Mündungsgeschwindigkeit des Geschosses. Daß es sich bei der Flak um eine Steilfeuerwaffe handle, könne nur ein Idiot aus der großen Rohrerhöhung schließen, befinde sich doch das Ziel in der Luft!
Schmiedling nickte zufrieden und fuhr fort. Flak acht-fünf-acht-acht heiße die Kanone. Sie sei in den zwanziger Jahren von Krupp gebaut und nach Rußland geliefert worden. Merkwürdig, dachte Holt, die Bolschewiken sind unsere Todfeinde, das sagt doch jeder, und da lieferte ihnen Krupp Kanonen? … Das Kaliber habe damals 7,62 Zentimeter betragen, der Russe aber habe den Kanonen ein neues Rohr vom Kaliber 8,5 Zentimeter gegeben, und da dieses Rohr für die Lafette ein wenig zu großkalibrig sei, habe man es mit einer Mündungsbremse versehen. »Was dös is, dös erfahren S’ nachher.« 1941 seien die Kanonen erbeutet und von 8,5 auf das übliche Kaliber von 8,8 Zentimetern aufgebohrt worden. Daher der Name »Flak 8,5/8,8«, genannt »Russenspritze«. »Aber wann a Bsüchtgung is, da muß dera richtge Nam gsagt wern!«
Für diese Erklärung brauchte Schmiedling eine halbe Stunde. »Wann Bsüchtgung ist«, sagte er, »dann müssen S’ dös halt auf Anhieb von Ihnen verlangt, net wahr!« Er sprach oft und im Ton tiefer Sorge von der Besichtigung.
Den weiteren Unterricht übernahm Wolzow, dem es viel zu langsam voranging. »Falls ich was falsch mache, können Sie mich ja verbessern«, sagte er. Schmiedling fand kaum etwas zu korrigieren, als Wolzow loslegte: Kreuzlafette, Fahrgestell, Unter- und Oberlafette, Justierspindeln, Sockel.
»Sie sin a fixer Kopf!« lobte Schmiedling, während Wolzow die Verankerung der Lafette im Boden und die Funktion der Justierspindeln erklärte. Wolzow ging zum Richtmechanismus über. Er setzte sich auf den stählernen Sessel der Seitenrichtmaschine, der an der rechten Seite der Oberlafette angebracht war, stemmte die Füße auf die Fußraste, drehte am Handrad und fuhr mit der Kanone im Kreise herum wie mit einem Karussell. Jeder wollte es nachmachen, aber Schmiedling scheuchte sie wieder hinters Geschütz.
Wolzow erläuterte, als habe er niemals im Leben etwas anderes getan, die Rohrrücklaufbremse, auf der das Rohr ruhte, den Luftvorholer, der das Rohr nach dem Schuß wieder in die normale Stellung zu bringen habe und mit »Bremsflüssigkeit braun« gefüllt sei. Er stellte sich links an die Höhenrichtmaschine, drehte das Rohr steil in die Höhe und wieder hinab, und dann war die Zünderstellmaschinedran. So ging es fort. Das Tempo mochte Schmiedling unheimlich sein, denn er ließ immerfort wiederholen.
»Gell, dös wissen S’ net, wie die Mündungsbremsn funktioniert?« fragte Schmiedling schließlich. Wolzow sagte: »Das ist doch ganz einfach.« Da stand plötzlich Gottesknecht im Geschützstand; wer weiß, wie lange er schon zugehört hatte. Schmiedling brüllte: »Achtung!« Gottesknecht winkte ab. »Soso, Wolzow. Das ist also ganz einfach? Lassen Sie
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