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Abenteuer des Werner Holt

Abenteuer des Werner Holt

Titel: Abenteuer des Werner Holt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Noll
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ihnen nicht drauf an. In Kassel hat sie ein Anderthalb-Meter-Scheinwerfer gestört, mit dem die Batterien nachts optisch geschossen haben, da haben sie auf diesen einen Scheinwerfer mehr als dreihundert Zentner Sprengbomben geworfen. Ich sag dir: Wir kommen auch noch dran!«
    »Sie werden uns zur Sau machen«, sagte Holt.
    »Sie werden ganz Deutschland zur Sau machen«, sagte Gomulka. Dann schwiegen sie lange. Aber Gomulka fing wieder an: »Die Russen sind immer noch nicht zum Stehen gebracht. Odessa ist gefallen. Wenn das so weitergeht …«
    »Da muß ja nun wirklich bald was geschehen«, sagte Holt.
    »Fragt sich bloß: was?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Holt. Von der B 2 brüllte jemand: »Leitungsprobe!« Gomulka hing sich die Geschützführerleitung um. Nachher sprachen sie von anderen Dingen.
    Aber in den Stuben wurde die halbe Nacht gestritten, ob der Kommandeur am Tode Zemtzkis schuld sei. Ziesche protestierte erregt: »Das Führerprinzip duldet keine zersetzende Kritik. Ihr wollt verschworene Kämpfer sein? Derartige Bemerkungen über einen Führer sind einfach Wehrkraftzersetzung!« Auch Wolzow fuhr Gomulka an und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch: »Schluß! Es ist Krieg, da kann es jeden erwischen.« Er breitete seine Karten aus.
     
    Am anderen Morgen, nach schwerer nächtlicher Schießerei, erlebte die zum Appell angetretene Batterie eine Überraschung. Kutschera nahte in voller Uniform. »Heil Hitler, Batterie! Der Major war sehr zufrieden. Der Herr General gleichfalls. Die Division ist inzwischen mit der Prüfung der Unterlagen fertig geworden und hat festgestellt, daß von den vierunddreißig Abschüssen im Bereich seit September vier auf unsere Rechnung kommen. Ruhe im Glied! Die vier Abschüsse sind uns zugesprochen worden. Wenn ihr Farbe habt, ihr Säcke, könnt ihr die Ringe an die Rohre pinseln.« Die Unruhe war nicht mehr zu unterbinden. Kutschera stand einen Augenblick unschlüssig, dann schrieer: »Batterie … stillstann! Wir gedenken des Kameraden Zemtzki, der für Führer und Vaterland gefallen ist. Rührt euch! … Herhörn! Die Batterie hat in Hamburg schon mal schwere Verluste gehabt. Ein Toter ist nischt Neues! Der Zemtzki hat Mut gehabt, dafür hat ihm der Major das Ekazwoo verliehen. – Ruhe im Glied! Nun sag ich eins: Wenn das Gequatsche auf den Stuben nicht aufhört, von wegen dem Müo und so … Ich greif mir die Meuterer raus und sperr sie ein! Krieg ohne Tote, wo gibt’s denn so was!«
    Vier Abschüsse! Zemtzki war vergessen. Wolzow zeigte sich aufgekratzt. »Noch zwei Abschüsse, dann gibt’s das Flakschießabzeichen.« Holt ging mit Gomulka den Lattenrost entlang, er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. »Sepp! Die vier Abschüsse, das ist bloß das schlechte Gewissen vom Major!« – »Schau dich um«, sagte Gomulka. »Gestern war alles deprimiert, und jetzt?«
    Im Unterricht saß Holt zerstreut und unaufmerksam auf seinem Schemel. Schließlich ging er in die Stube hinüber und warf sich auf sein Bett. Wenn ich falle, wird tags darauf kein Mensch mehr an mich denken.
    Gottesknecht riß die Tür auf. »Pfui! Sie schwänzen wieder!« sagte er. »Holen Sie den Gomulka raus!« Holt folgte. »Mitkommen! Sie beide haben den Zemtzki doch näher gekannt, helfen Sie mir mal, den Brief an seine Mutter zu schreiben.« In der Schreibstube sagte er zu Holt: »Übrigens hat eine Dame angerufen und gefragt, ob Ihnen was passiert ist. Hat sich rumgesprochen, daß wir Zunder bekommen haben. Ich hab gesagt, Sie sind wohlbehalten und der Ziesche auch.«
    Sie war in Sorge um mich, dachte Holt freudig. Aber dann erschrak er: Und der Ziesche auch … Wußte Gottesknecht? Holt schielte zur Seite. Der Wachtmeister schrieb eifrig und unbeteiligt, und nur Gomulka zog ein merkwürdiges Gesicht.
    »Er war das einzige Kind«, sagte Gomulka. Auf dem Schreibtisch lag das Eiserne Kreuz mit dem roten Ordensband. Zemtzki hat nichts mehr davon, dachte Holt. Wenn ich das EK hätte … Bei einem Luftwaffenhelfer würde es Aufsehen erregen!
    Gottesknecht las vor: »… in treuer Pflichterfüllung …«
    War es seine Pflicht, dachte Holt, in den Bombenregen hinauszulaufen? Was mochte in ihm vorgegangen sein? Ob er sich auszeichnen wollte?
    »Was schaun Sie denn so?« fragte Gottesknecht. »Die Sache mit dem Müo kann ich doch wirklich nicht schreiben!«
    »Die werden das bestimmt erfahren«, meinte Holt.
    »Jetzt ist Schluß!« tief der Wachtmeister. »Die Ketzerei steht Ihnen ja an der Stirn

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