Abenteuer des Werner Holt
graute vor der Rückkehr in die Batterie. Er entschloß sich, über Nacht hierzubleiben, obwohl Gottesknecht das nicht decken würde. Aber auch das war gleichgültig. »Ich hab frei bis morgen früh«, log er.
Sie sagte entschlossen: »Werner, du kannst heute nicht bleiben.« Er sah sie zunächst nur verwundert an. »Du mußt das einsehen«, bat sie. »Ziesche kommt auf Urlaub, ich erwarte ihn jeden Tag.«
Er begriff nur langsam, daß nicht der junge Ziesche, sondern sein Vater gemeint war, dieser dicke, brutale Mann. »Was denn …«, sagte er schwerfällig, »und ich?«
»Sei friedlich. Er bleibt ja nur ein paar Tage.«
Nur ein paar Tage … So ist das also, wenn der Ehemann kommt, wird der Liebhaber abserviert … Nun fiel ihm ein, daß der alte Ziesche mit seiner Frau … Sein Verstand trübte sich vor Eifersucht und Ekel. Er packte Frau Ziesche am Handgelenk, derb, außer sich vor Wut. »Wenn du dich von ihm anrühren läßt …«
Sie erschrak, doch unter dem Griff seiner Hand wurde ihr Gesicht weich, die Lider senkten sich über die Augen. Sie raffte sich auf und sagte: »Was erlaubst du dir!«
Ach so! Er ließ sie los, sein Kopf schmerzte wieder, er war müde. Er nahm seinen Mantel von der Sessellehne und setzte die Mütze auf. Sie beobachtete ihn gleichmütig. Seine Energie war schon verpufft. Er wartete auf ein Wort. Aber sie schwieg. Als er die Treppen hinabstieg, überfiel ihn Verzweiflung: Jetzt bin ich ganz allein! Er hatte keinen Stolz mehr, kehrte um und klingelte. Sie ließ sich Zeit, bis sie öffnete. Er stand vor der Tür, die Mütze in der Hand, sie zog ihn in den Flur, sie strich ihm ein paar Haare aus der Stirn und lächelte. »Dummer Kerl! Ruf mich an, wenn du Ausgang hast.« Er stand unbeweglich vor ihr. »Du darfst …« – »Wofür hältst du mich!« sagte sie. »Eine Frau hat ihre Möglichkeiten!«
Die Geschütze wurden aus der Werkstatt zurückgebracht, es gab Arbeit über Arbeit. Anton hatte ein neues Rohr erhalten. Die gesamte Munition wurde gegen Patronen mit neuartigen Granaten ausgetauscht. Tags darauf kehrte Gomulka aus dem Revier zurück. Ein Befehl der Untergruppe ernannte Holt und seine Klassenkameraden zu Luftwaffenoberhelfern. Gomulka, ein Pflaster am Hinterkopf, sagte: »Jetzt helfen wir nicht mehr, jetzt oberhelfen wir.«
Am Nachmittag langte der Ersatz in der Batterie an, Schüler vom Jahrgang achtundzwanzig, aus Schlesien. Holt, Wolzow, Vetter und Gomulka standen bei der Schreibstube und sahen zu, wie die Neuen von den Lastwagen kletterten und an der Kammerbaracke vorbeidefilierten. »So sind wir auch mal angekommen«, meinte Gomulka. Holt nickte. Es war ewig her. »Leute, es ist geschafft!« krähte Vetter. »Jetzt sind wir die Alten!«
Die Batterie trat auf dem Fahrweg an und wurde eingeteilt. Die neuernannten Oberhelfer von der Geschützstaffel wurden als Geschützführerund Richtkanoniere auf alle sechs Geschütze verteilt. Mit Mühe konnte Schmiedling Wolzow, Holt, Gomulka und Vetter bei Anton behalten. Kutschera, barhäuptig wie immer, von seinem Hund gefolgt, trat vor die Front. »Mal herhörn!« Diesmal sagte er kein Wort von Selbsterziehung. Gomulka bemerkte dazu auf der Stube: »Es hat ihm schon lange nicht mehr gepaßt. Aber er konnte sein Prinzip nicht widerrufen.« – »Selbsterziehung eines Hauptmanns«, spottete Holt.
Die Batterie war wieder feuerbereit. Gegen Mitternacht zog Wolzow noch einmal den Wischer durch das neue Rohr. Sei es, daß die Neuen am Funkmeßgerät noch unsicher waren, daß sie Angst hatten oder sich von der üblichen Düppel-Störung verwirren liefen, das Schießen klappte in dieser Nacht schlecht. Die Batterie schoß nach Süden, die Bomber brummten im Norden vorbei. Wolzow fluchte, denn aus dem neuen Rohr floß brennendes Öl und versengte ihm den Ladehandschuh. In den Feuerpausen hörten sie, fern beim Funkmeßgerät, Kutschera toben.
Den Bestand der Batterie bildeten zu zwei Dritteln die Neuen vom Jahrgang achtundzwanzig. Außer den sechsundzwanzig Oberhelfern aus Holts Klasse waren nur fünf der alten Oberhelfer hiergeblieben, Dusenböker und Hörschelmann, die beiden Entfernungsmesser aus Hamburg, und Ziesche mit zwei seiner Klassenkameraden aus Essen. Die beiden Hamburger fanden sich abends bei Wolzow in der Stube ein, brachten Zigaretten und Schnaps mit und hörten sich eine Weile geduldig Wolzows Hohnreden an. Dann feierte man Versöhnung. Günsche war ganz allein an allem schuld gewesen!
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In den
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