Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
bisschen mehr bei. Als wir das Feuer entzündeten, brüllten neben uns ein paar Spanier ein paar Mal „siete, siete, siete“ und fotografierten sich dabei mit ihrer Handykamera. Wir schauten auf die Uhr und stellten fest, dass es genau 7:07 Uhr war, und das am 07.07.07! Ist das genial!? Ela und ich guckten uns an und mussten laut loslachen. Solche Geschichten schreibt nur der Camino. Nicht nur, dass unsere „bedeutende“ Handlung am 07.07.07 um 7:07 Uhr stattfand, nein, wir wurden natürlich sogar extra darauf hingewiesen. Mit einer größeren Symbolik lässt sich ein Jakobsweg doch gar nicht beenden. Für einen Moment wurden wir nachdenklich.
Anschließend gingen wir zum höchsten Punkt, von wo wir uns den Sonnenuntergang anschauen wollten. Man verlässt das Kap nicht ohne die Betrachtung dieses immer wieder faszinierenden Naturschauspiels, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Die Bedingungen waren heute wie geschaffen für ein visuelles Erlebnis der Extraklasse. Klare Sicht, blauer Himmel, ein paar Schleierwolken in weiter Entfernung, das konnte nur schön werden. Bis es soweit war, hatten wir noch etwas Zeit. Erst gegen 22 Uhr beginnt zu dieser Jahreszeit die Dämmerung. Im Restaurant holten wir uns ein paar Sundownder, die wir genüsslich schlürften und dabei auf einer Mauer oberhalb der Steilküste saßen. Unsere Blicke schweiften in die Ferne, Richtung Amerika. Die Gedanken blieben jedoch hier. Einen Sonnenuntergang kann man nicht beschreiben, so auch den heutigen nicht. Es war schön, stimmungsvoll, großartig, einzigartig. Jeder Sonnenuntergang ist einzigartig! Kurz, es hat sich gelohnt zu warten! Zum Abschluss bekommen wir noch einmal jede Menge besonderer Momente geschenkt, einfach irre! So, als ob jemand ein riesiges Füllhorn über uns ausschüttet. Jeder einzelne Moment wird es uns schwerer machen, wieder in den Alltag, so etwas wie ein geregeltes Leben zurückzufinden. Ein geregeltes Leben, wenn ich das schon höre! Ich will gar nicht weiter darüber nachdenken. Jedes mit „geregelt“ verwandte Wort habe ich in den letzten 3 Monaten aus meinem Wortschatz verbannt, und nun soll das Geregelte plötzlich wieder ein bestimmender Faktor meines Lebens werden. Nee, nee, und nochmal nee! Erst Mal piano, piano! Das wird Zeit brauchen, viel Zeit, und die nehme ich mir, ganz egal wie lange es dauert!
Für den Weg zurück in den Ort fanden wir, Ela sei Dank, ein deutsches Touristenehepaar, das uns mit dem Auto mitnahm. Es war inzwischen leicht abgekühlt und natürlich dunkel, da tat der Fußmarsch nicht mehr wirklich Not! Außerdem hatten wir ja unsere Pilgerreise beendet.
Zurück im Ort habe ich mich total gefreut, Jane und Emily aus Kanada wiederzusehen. Sie sind heute mit dem Bus hergekommen. Mit ihnen und ein paar von deren Bekannten feierten wir unser unverhofftes Wiedersehen an einem großen Tisch auf unserer Lieblingsterrasse. Ganz wie in Spanien üblich, nahmen wir heute erst weit nach 23 Uhr unser Abendessen zu uns. Später, Emily, Jane und Co. Hatten sich mittlerweile verabschiedet, gesellte sich noch ein 70-jähriger Bayer zu uns an den Tisch. Ihm waren wir gestern bereits begegnet. Heute war er nicht nur blau, sondern auch echt originell, Ela findet ihn putzig. Der Mann schwebte im siebten Himmel, war die personifizierte Glückseligkeit. Den ganzen spanischen Weg hat er zurückgelegt, und das in seinem Alter, er hat allen Grund, stolz zu sein. Ela und ich hatten nur ein leichtes bis mittelschweres Problem, ihn zu verstehen. Bayrisch, noch dazu lallend, ist eine echte Herausforderung!
Um Mitternacht ließ ich es mir nicht nehmen, meinem Weibe zum Geburtstag zu gratulieren. Ich habe sie zwar um diese Zeit aus dem Bett geholt, aber ich glaube, böse war sie mir deswegen nicht. In Deutschland ist es saukalt, sagte sie mir. Zwei Tage nach Jans und Clarissas Hochzeit hat es zum ersten Mal geregnet, seitdem ist es nie wieder so schön geworden, wie es im April war. Hm, auch was das Wetter betrifft, kann ich mich wohl wahrlich nicht beschweren.
Um 1 Uhr waren alle Gläser leer. Wieder geht ein schöner Tag zu Ende! Zur Zeit ist jeder Tag ein schöner Tag… .
Tag 88, Finisterre – Santiago (mit dem Bus)
Heute dauerte das Frühstück gar 3 Stunden und entwickelte sich zu einer internationalen Angelegenheit. Neben Ela (Australien) und mir gesellten sich Jane und Emily (Kanada), Bridget aus Neuseeland sowie Gundi und Josef aus Bayern zu uns. Angereichert durch viele
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