Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
sichtbaren Schandfleck. Bei der letzten Einkehrmöglichkeit für lange Zeit stärkten wir uns mit Kaffee und Kuchen. Danach ging es 16 km durch gänzlich unbesiedeltes Gebiet. Viele der Wälder dort geben nach den zerstörerischen Bränden im letzten Jahr ein trauriges Bild ab. Es wird lange dauern, bis man überhaupt wieder von Wäldern sprechen kann. Ein Teil der gebirgsähnlich anmutenden Landschaft präsentierte sich felsig und nur karg bewachsen, Felder sorgten vereinzelt für üppiges Grün. Es war abwechslungsreich und ab dem späten Vormittag auch wieder sonnig.
Nach weniger als der Hälfte der Tagesdistanz erblickten wir erstmals das Meer, wir stießen einen lauten Freudenseufzer aus, so, als ob wir es noch nie vorher gesehen hätten. Aber heute war es wirklich was ganz Besonderes, nach so langem Fußmarsch! Von nun an verschwand es kaum noch aus unserem Blickfeld, der Weg dorthin wurde mehr und mehr zu einem Selbstläufer. Vor der Stadt Cee ging es einen steilen Hang hinunter, dann hatten wir das Meer bzw. die erste kleine Bucht erreicht. Cee vermittelte allerdings noch kein Urlaubsfeeling, dafür ist der Ort zu unansehnlich. Eine große Fabrik direkt am Wasser beeinflusst das Bild dabei nicht unerheblich. Offensichtlich hat man in der Region ein Händchen dafür, sowohl Orte als auch Landschaften zu verschandeln, indem man fürchterliche Industrieanlagen an exponierte Stellen setzt. Nee, in Cee wollte ich kein Haus am Meer haben. Sofort weiter, hinüber zur anderen Seite der Bucht! Dort liegt Corcubión, schon wesentlich netter anzusehen. Am kleinen Fischerhafen kehrten wir für einen schnellen Drink ein, nicht lange, wir wollten nun nach Finisterre, und zwar so schnell wie möglich.
Der Weg hinter Corcubión wurde zum schönsten Streckenabschnitt des Tages. Immer wieder erhielten wir neue reizvolle Ausblicke aufs Meer. Erste schöne Strände steigerten unsere Vorfreude. Nun sah es nach Urlaub aus! Bis Finisterre zog es sich
aber noch ein ordentliches Stück, zahlreiche Bade buchten wollten vorher umgangen werden. Die letzten 3 km führten direkt am feinsandigen Sandstrand der Playa Langosteira entlang, dann hatten wir Finisterre erreicht. Hurra!! Es war vollbracht! Ein weiteres Mal überkamen mich Glücksgefühle. Kontrollierter diesmal, nicht mehr so ergreifend, so emotional, so befreiend, aber sehr innig und aus tiefster Seele. Ein stiller Triumph, ein genussvoller Moment. Wie für Fußballer der Gewinn des DFB Pokals ein paar Tage nach dem Champions-League-Finalsieg. Vielleicht!? Ein besserer Vergleich fiel mir gerade nicht ein.
Am malerischen Fischerhafen warteten schon Eileen und Torsten auf uns. Ela stand in engem SMS-Kontakt mit ihnen. Was wäre Ela nur ohne ihr Handy? Eileen und Torsten erwarteten ihren Bus zurück nach Santiago, für sie war der Aufenthalt in Finisterre bereits beendet. Übermorgen werden die beiden sich dann erst Mal trennen müssen, Torsten fliegt nach Hause, Eileen bleibt noch ein paar Wochen in Spanien. Ihre Eltern haben in Andalusien ein Ferienhaus am Meer, dort wird sie Urlaub machen. Ich wünsche den beiden jedenfalls, dass sich ihre Camino-Love Story möglichst lange fortsetzen wird.
Ein letztes Mal saßen wir in nun in der Runde zusammen, in der wir so häufig abends nach unseren Tagesmärschen zusammengekommen sind, nur Jos fehlte heute in diesem Kreis. Durch Eileen und Torsten kamen wir an eine günstige private Zimmervermietung, nur 3 Fußminuten vom Hafen entfernt. Hier werden wir die nächsten 2 Nächte verbringen.
Nachdem die Zimmer bezogen und wir geduscht waren, gingen wir sofort zurück zum Hafen. Ela suchte ein Internet-Café auf während ich zwischen den Fischerbooten die Seele baumeln ließ. Finisterre könnte dem Prospekt eines Reiseveranstalters entnommen sein, in dem die Romantik typischer Fischerdörfer dargestellt wird. Ich bin schon jetzt froh, die Wanderung hierher noch auf mich genommen zu haben. Ich traf auf ein paar bekannte Gesichter, mit denen ich ein paar Worte wechselte, viele sind mit dem Bus gekommen. Auch Erika, der Schweizerin begegnete ich. Sie konnte Ihren Weg nicht zu Fuß beenden. Es hatte keinen Zweck mehr gehabt. Ihre Enttäuschung darüber hat sie immer noch nicht ganz überwunden, gerade weil sie jetzt täglich Pilgern begegnet, die es geschafft haben. Sie will trotzdem versuchen, die nächsten Tage hier in Finisterre so richtig auszukosten. Am frühen Abend kamen auch Jos, David und seine Freundin in
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