Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Qual. Es ging teilweise ordentlich rauf und runter. Wer sich den Weg nach Finisterre als lockeren Spaziergang vorstellt, der ist schief gewickelt. Es muss körperlich gearbeitet werden. Landschaftlich war es einmal mehr sehr schön. Grün dominierte. Die vielen kleinen Bauernsiedlungen, an denen der Weg vorbeiführte, erschienen mir allerdings farblos im Vergleich zu dem, was wir in Galizien schon gesehen hatten. Wir nutzten jede sich bietende Möglichkeit zur Einkehr, erst zum Kaffee, später zum Bier. Begegnungen mit anderen Pilgern blieben die absolute Ausnahme. Wir quatschten viel, ohne dass sonst groß was passierte. Es war heiß, vielleicht sogar der heißeste Tag überhaupt in den vergangenen 3 Monaten. Die Suppe lief in Strömen.
So verging der Tag und irgendwann am späten Nachmittag waren wir in Olveiroa, einem kleinen Bauerndorf, das mich wieder an das Galizien der Tage vor Santiago erinnert. Mangels Alternativen müssen Ela und ich doch noch mal in einer Albergue schlafen. Die Zimmer im örtlichen Casa Rural sind unverschämt teuer. Das zu bezahlen, sahen wir beide nicht ein. Wir wunderten uns, wie voll die Herberge schon am Nachmittag war. Von den 34 Betten waren nur noch ganz wenige nicht belegt. Es ist aber sehr nett, ein alter renovierter Bauernhof mitten im Ort, super gepflegt. Direkt neben dem Schlafsaal sind die Kuhställe. Total urig!
Bevor David und Jos sich abholen ließen, tranken wir in der Bar des Ortes noch ein Bierchen zusammen. Für morgen verabredeten wir keine feste Zeit. Wenn wir uns auf dem Weg nicht treffen sollten, dann doch spätestens in Finisterre. Am Abend gingen Ela und ich zum Abendessen zurück in die Bar und ließen dort den Tag gemütlich ausklingen. Wir freuen uns nun beide auf den Ozean, Ela vermisst ihn inzwischen richtig. Zuhause in Australien fällt ihr erster Blick nach dem Aufstehen immer aufs Meer. Das macht süchtig, sagt sie und die Sehnsucht spiegelt sich dabei in ihren Augen. Ich glaube ihr jedes Wort, bin sicher, mir würde es nicht anders ergehen. Während wir uns unterhielten, bekam Ela eine SMS von einem Bekannten. Der ist jetzt ca. 140 km vor Santiago und beklagt überfüllte Herbergen, eingenommen fast ausschließlich von spanischen Familien und Pilgergruppen. Es ist die erste Ferienwoche in Spanien und damit Beginn der Hochsaison auf dem Camino. Mit einem zufriedenen Lächeln haben Ela und ich uns nach dieser Meldung spontan zu unserem perfekten Timing beglückwünscht. Was haben wir es gut erwischt! Jetzt noch einen Tag unser Schneckenhaus schleppen, dann ist auch das letzte Stück geschafft. Hoffentlich wird es noch einmal eine schöne Wanderung morgen... .
Tag 86, Olveiroa - Finisterre 31 km
Was für eine Nacht! Die volle Dröhnung zum Ab schluss, damit ich mich auch ja wirklich auf mein eigenes Bett freue. Alles, was einen guten Schlaf verhindert, hat sich in dieser Nacht zusammengetan. Laut schnarchende und furzende Pilger waren noch das geringste Übel. Schlechte Luft, Gestank? Geschenkt! Massenweise Fliegen und, schlimmer noch, penetrante Stechmücken ohne Ende waren es, die mich kaum ein Auge zudrücken ließen. Ständig hatte ich dieses fiese Summen in den Ohren! War es nicht da, habe ich förmlich darauf gewartet. Dazu kam eine Bullenhitze in dem Raum. Hatte ich mich in den Schlafsack eingewickelt, dauerte hat es keine 10 Minuten, bis ich es nicht mehr aushalten konnte. Nicht zugedeckt wiederum bot ich eine großartige Angriffsfläche für die nimmersatten Blutsauger. Bis um 3 Uhr hatte ich vielleicht eine Stunde geschlafen, bis um 6 Uhr deren 2. Aus dem unruhigen Wälzen einiger anderer Pilger schloss ich, dass es ihnen nicht viel besser erging. Zwischendurch bin ich gar für eine Viertelstunde draußen spazieren gegangen, etwas frische Luft atmen. Im Kuhstall war es auch sehr unruhig, das Vieh hatte wahrscheinlich die gleichen Probleme. Was war ich froh, als diese Nacht endlich vorbei war. Von nun an keine Albergue mehr! Gut, dass es so nicht immer war! Ela hat viel besser geschlafen, sie wurde von den Moskitos weitestgehend verschont.
Nach einem kleinen Frühstück und 2 Tassen Kaffee fühlte ich mich erstaunlich ausgeruht. Heute kam ich ohne Anlaufzeit ganz gut in Schwung. Die Anziehungskraft des Meeres beflügelte meinen Schritt. Der Tag begann mit kräftigem Frühnebel, der einen Großteil der Landschaft verschluckte. In schöner Lage bei Hospital sorgte eine heruntergekommene Eisenfabrik für einen weithin
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