Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
dort auf mich wirken. Gerne hätte ich den Rest des Nachmittags dort verweilt, aber die Quartiersuche war wichtiger.
Nur einen Kilometer hatte ich bis zur Jugendherberge noch vor mir, eigentlich ein Klacks. Nicht so in Bad Münstereifel - nach 30 gewanderten Kilometern! Eine Tortur war es, die größte des ganzen Tages. Nur steil bergauf ging es und ich hatte das Gefühl, der Weg nimmt kein Ende. Als ich ein größeres Haus sah, wähnte ich mich am Ziel, wurde aber von einem Anwohner aufgeklärt, dass ich erst den halben Weg hinter mir habe. Auf dem (noch steileren) Naturpfad könne ich ein wenig abkürzen, riet er mir. Für einen kurzen Moment war ich echt demoralisiert, wollte keinen Schritt mehr tun und ließ mich auf den weichen Waldboden sinken. Durst hatte ich, wie eine Herde Elefanten in der Wüste auf der Suche nach einer Wasserstelle. In meiner Trinkflasche herrschte jedoch Ebbe, nicht mal ein Tropfen war in ihr verblieben, um meine gierige Zunge zu benetzen. Also raffte ich mich noch einmal auf und erklomm mit meinen allerletzten Reserven den Rest des Berges, bis ich völlig in Schweiß gebadet und mit den Kräften am Ende endlich vor der Jugendherberge stand. Die nette Dame an der Rezeption hatte sofort ein Auge für die Situation und reichte mir, ohne dass ich etwas sagen musste, ein Handtuch und eine Flasche Mineralwasser, die in weniger als 2 Minuten leer gesoffen war. Das tat Not!
Mir war klar, dass ich heute nicht mehr in die Altstadt hinunter gehen würde. Diesen Aufstieg wollte ich mir kein zweites Mal antun. Nur ausruhen, das war mein einziger Wunsch! Schon nach der Dusche war ich gleich ein anderer Mensch, was tat das gut! Und das kühle Bit erst, was ich mir nach dem Wäsche waschen gegönnt habe. In der himmlischen Stille und Abgeschiedenheit des großen Gartens hinter der Herberge, nur durch lautes Vogelgezwitscher „gestört“, war jegliches Bedürfnis, diesen Ort heute noch einmal zu verlassen, schnell verflogen. Auch für mein leibliches Wohl wurde bestens gesorgt, in Form eines Buffets mit energiereichen Speisen. Es fehlte mir an nichts. Durch die Osterferien ist obendrein in der Jugendherberge erfreulich wenig los. Ruhe!
Der Vollständigkeit halber: Ich habe meine erste Blase, und zwar genau unter dem Ballen meines linken Fußes. Das geht ja früh los... .
Rücken und Schulter hingegen spüre ich viel weniger als gestern noch, auch peinigt mich kein Muskelkater. Also doch eigentlich alles im grünen Bereich! Oder?
Mit dem abschließenden Satz des Tages zitiere ich den Spruch an der Fassade eines Fachwerkhauses in Bad Münstereifel:
„Das Leben wäre halb so schwer, wenn nur der Eigennutz nicht wär!“
Tag 3, Bad Münstereifel - Blankenheim 19,5 km
Der Tag fing nach sage und schreibe über 10 Std. Schlaf mit einem reichhaltigen Frühstück gut an. Fühlte mich gestärkt und begann mit dem Abstieg in den Ort, wo sich Einzelhändler und Gastronomen auf einen (sicher umsatzstarken) Tag vorbereiteten. Heute war‘s schon um 9 Uhr ziemlich warm in der Sonne. Auf der anderen Seite des Ortes blieb es mir nicht erspart und ich musste erneut hinauf auf den nächsten Hügel. Mein frisch gewaschenes T-Shirt war sofort wieder schweißgetränkt. Immerhin konnte ich in dem folgenden Waldstück, was mich ans heimische Ebbegebirge erinnerte, regenerieren. Nach nur einer Stunde war’s dann jedoch vorbei mit Schatten. Heiß brannte die Sonne mir auf den Pelz, sommerlicher kann’s im Sommer kaum sein. Dafür blieb es landschaftlich reizvoll. Mit Frohngau und Engelgau durchwanderte ich 2 kleine verschlafene Ortschaften, sonst war der Weg nur von bewaldeten Hügeln und Feldern gesäumt. Die letzten 6 km durch den Wald nach Blankenheim gingen mir zunehmend an die Substanz. Der Weg war so breit und die Bäume so niedrig, dass ich auf Schatten vergeblich wartete. Keine Menschenseele war außer mir unterwegs, wahrscheinlich zogen es die Leute vor, im eigenen Garten zu faulenzen. Kluge Entscheidung! Und ich Träumer wollte heute ursprünglich die doppelte Distanz bis Kronenburg zurücklegen. Da musste ich doch einmal herzlich lachen.
Glücklicherweise wartete am Ortseingang von Blankenheim ein EDEKA auf mich. Mein Körper frohlockte, als ich ihn mit einem Liter Buttermilch und 2 Bananen beglückte. Da ich nicht eben unauffällig daherkomme mit Rucksack und dem markanten Pilgerstab, wurde ich von vielen Kunden aufmerksam gemustert, ja,
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