Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
hochsommerlichen Temperaturen gönnte ich mir im Biergarten der Jugendherberge das ersehnte Weißbier. Nicht 2, sondern 3 sind‘s schließlich geworden - Belohnung und Entschädigung zugleich für einen Tag, der mir deutlich offenbarte, das Pilgern kein Zuckerschlecken ist. Beim Blick auf die beiden Türme der Basilika von Prüm, deren warmer Farbton durch das späte Sonnenlicht noch hervorgehoben wurde, verschwammen meine Gedanken allmählich und wichen zunehmend einer wohltuenden Leere. Später gesellte sich das kleine Töchterchen der Jugendherbergsleiterin zu mir und löcherte mich mit Fragen, wie es nur kleine Kinder können. Manchmal fiel es mir schwer, eine wirklichkeitsnahe Antwort zu finden, also musste ich etwas improvisieren. Dem Mädchen gefiel es, es wollte gar nicht gehen, auch nicht, als es von seiner Mutter abgeholt wurde. Ich raffte mich nach einem schmackhaften Abendessen sogar noch auf, die paar Schritte in Richtung Stadtmitte zu gehen, um mir Benediktiner-Abtei und Basilika anzuschauen. Danach schleppte ich mich mühsam zurück zur Jugendherberge und freue mich nun auf die, wie ich finde, wohlverdiente Nachtruhe. Bin gespannt, wie es morgen mit mir weitergeht.
Eins steht fest, ich muss auf die Signale meines Körpers (und meiner Füße) hören!
Und wer schiebt mich??
Tag 6, Prüm - Neuerburg 40 km
Nach erneut rund 10-stündigem Schlaf stellte ich am Morgen erleichtert fest, dass die Blasen etwas kleiner geworden waren. Daher beschloss ich, den Weg fortzusetzen und nahm mir vor, bis ins 24 km entfernte Waxweiler zu kommen. Ich hoffte, eine Übernachtungsmöglichkeit auf dem Weg dorthin zu finden, falls es nicht klappen sollte. Meine morgendliche Fußpflege erweiterte ich heute um ein Urinfußbad, bevor ich nach anständigem Frühstück gestärkt losmarschierte.
Dass mich heute wieder eine anspruchsvolle Streckenführung mit vielen Höhenmetern erwarten würde, merkte ich bereits zu Beginn auf einem knackigen Anstieg nach Rommerskirchen. Aber ich registrierte auch, und das höchst zufrieden, dass es gut lief. Ich erfreute mich an den schönen, teils bizarren Felsformationen im Naturschutzgebiet „Schönecker Schweiz“, wunderte mich über einen ausgetrockneten Bachlauf mitten im April und erlebte den „Charme“ des Ortes Schönecken mit seinen alten, grauen und teilweise etwas heruntergekommenen Häusern entlang der Hauptstraße. So in etwa hatte ich die Kleinstädte der DDR von meinem dortigen Besuch ein paar Jahre vor dem Mauerfall in Erinnerung.
Je länger ich unterwegs war, desto häufiger dachte ich daran, eine größere Etappe zurückzulegen. Jedoch erteilte ich diesen Gedanken schnell wieder eine Absage. Ich wusste ja noch von gestern, wohin zu früher Optimismus führt. Einfach weitergehen und nicht so viele Gedanken machen... .
Umso schöner, wenn dann alles gut funktioniert. Es war ein wunderbarer Tag zum Pilgern. Die Sonne versteckte sich etwas hinter hochnebelartiger Bewölkung, die Temperaturen waren etwas kühler als die letzten Tage und es blies mir ein angenehmer Wind um die Ohren. Dazu die traumhafte Eifel, die einem jeden Tag aufs Neue großartige Panoramen bietet. Bereits um 14:30 Uhr erreichte ich Waxweiler. Selbst der extrem steile und unwegsame Abstieg hinunter in den Ort bereitete mir kaum Schmerzen.
Spätestens, als ich an der Kirche eine Gedenktafel mit dem Wahlspruch des heiligen Willibrord ( „In Dei nomine Feliciter – In Gottes Namen voran, zum glücklichen Gelingen“) sah, stand für mich fest, dass ich weitergehen würde. Das war ja förmlich eine Aufforderung! Bevor ich meinen Weg aber fortsetzte, stellte die freundliche Mitarbeiterin im Haus des Gastes, von der ich auch einen Pilgerstempel bekam, telefonisch sicher, dass in der Jugendherberge Neuerburg noch ein Bett für mich frei gehalten würde.
Es ging gleich wieder hinauf, Richtung Krautscheid. Auf dem Stück pfiff ich gehörig, und zwar aus dem letzten Loch. Im Ort musste ich an einem Privathaus Halt machen, um meine Wasserflasche aufzufüllen. Beim Verlassen des Ortes habe ich dann offensichtlich eine Markierung übersehen, was dazu führte, dass ich mich anschließend gehörig verlief. Gemerkt habe ich das freilich erst, als sich mein Weg im Laub eines Buchenwaldes verlor. Zurückzukehren in den Ort war keine Option, daher beschloss ich, durch den Wald weiterzugehen. Für die Füße war der von einer dicken
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