Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Schönecken
Tag 7, Neuerburg - Bollendorf 25 km
Habe gar nicht gut geschlafen. Das Bett war zu kurz und so bin ich immer wieder wach geworden zwischendurch. Dementsprechend fühlte ich mich alles andere als fit. Ziemlich steif noch dazu! Wenigstens das Frühstück war gut und gehaltvoll, trotzdem fehlte mir der Tatendrang, als ich um 9:30 Uhr aufbrach.
Wie befürchtet bekam ich so gar keinen Rhythmus. Hinter der idyllisch gelegenen Kreuzkapelle begann es gleich mit einem Mörderanstieg hinauf nach Niederraden. Ein echter Härtetest für meine Moral. Mein Gang hatte mehr was mit Rumeiern als entschlossenem Wandern zu tun. War insgesamt ziemlich neben der Mütze und memmig. Musste mich immer wieder antreiben mit Sätzen wie „Lass dich nicht so hängen du Weichei“ oder so ähnlich. Es half bedingt, zumindest hielt ich mich bis zu meiner ersten Rast kurz vor Nusbaum am Laufen. Landschaftlich war es wieder einmal sehr nett und auch das Wetter meinte es eigentlich gut mit mir. Sonne- Wolken-Mix bei idealen 15° C. War heute den 2. Tag hintereinander in Sandalen unterwegs, um den Füßen etwas Bewegungsfreiheit zu schenken. Trotzdem merkte ich, wie mir am rechten Fuß eine neue Blase wuchs. Wahrscheinlich das „Dankeschön“ für die lange gestrige Etappe.
Für meine Rast fand ich eine schöne Anhöhe mit Blick auf ein leuchtendes Rapsfeld. Sitzend, so war ich in der Lage, den Tag zu genießen, wusste aber auch, dass ich bis Bollendorf noch einmal die gleiche Strecke zu gehen hatte. Nicht weit von meinem Pausenidyll hörte ich gelegentlich ein Auto auf der nahen Straße vorbeifahren, die direkt nach Bollendorf führt – in 10 Minuten! Der Gedanke, diesen bequemen Weg zu wählen, drängte sich da förmlich auf. Aber ich blieb standhaft! Nein, der Weg will gegangen werden, auch wenn’s heute noch 4 Stunden dauern sollte, machte ich mir klar. Mir kamen die legendären Worte von Udo Bölts in den Sinn, mit denen er einst Jan Ullrich erst über die Berge, dann zum Toursieg trieb: „Quäl dich, du Sau!“. Ich nutzte sie heute, um mich selber zu motivieren und so schaffte ich es, mich nach über einer Stunde wieder in Bewegung zu setzen.
Meine Gangart wurde keinen Deut leichtfüßiger, es blieb sehr mühselig. Aber auch eiernd kommt man irgendwann ans Ziel, tröstete ich mich. Hinter einer Siedlung namens Rohrbach hätte ich mich an einer missverständlich markierten Weggabelung fast für die falsche Variante entschieden, aber just in dem Moment kam mir ein ortskundiges Paar hoch zu Ross entgegen und wies mir auf Nachfrage den richtigen Weg. Mich heute zu verlaufen wäre das Letzte gewesen, was ich hätte gebrauchen können! Noch einmal Glück gehabt! Der Weg führte ins Ferschweiler Plateau, einer der attraktivsten Landschaften der Südeifel, wie es heißt. Es ist wirklich schön, ich tauchte in einen Buchenwald ein, der mir in meiner heutigen Verfassung endlos lang vorkam. Aufgrund zwischenzeitlich nicht mehr vorhandener Markierungen hatte ich nicht nur einmal das Gefühl, mich völlig verirrt zu haben. Aber ich vertraute auf das Reiterpaar und hielt meinen Kurs bei. Je weiter ich in den Wald eindrang, desto mehr fühlte ich die sonderbare, ja mystische Atmosphäre, die von ihm auszugehen schien und ihm auch nachgesagt wird. In der Tat zeugen prähistorische Monumente, die bis ins 2. und 3. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen von längst vergangenen Tagen. Hier haben schon die Kelten der Götterverehrung und dem Totenkult gefrönt. Lang ist‘s her… .
Eigentlich fehlte in den Augenblicken mei nes Durchwanderns nur, dass die Geschichte lebendig wurde und ein paar alte Stammesbewohner meinen Weg kreuzten. Diese Dinge blieben meiner Phantasie überlassen.
Als ich das Fraubillenkreuz sah, wusste ich endgültig, dass ich auf dem richtigen Weg war. Dieses Monument ist einer der wenigen in der Region noch erhaltenen sogenannten Menhire aus der Keltenzeit und wurde wohl erst im Rahmen der Christianisierung zu einem Kreuz umgestaltet. Der Überlieferung nach soll der heilige Willibrord persönlich Hand angelegt haben.
Mir gefiel der Ort und die besondere Stimmung, die von ihm ausging. Da das Laufen an sich mir weiter keine Freude bereitete, entschloss ich, noch einmal eine ausgiebige Pause einzulegen. In dem Moment, als ich weitergehen wollte, machte mir in gut 100 Metern Entfernung ein Herr Handzeichen, ich solle
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