Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika
mitzunehmen, eine Seite des enormen Ameisenhaufens zu demoliren. Es war, wie gesagt, ein conischer Hügel nebst noch einigen kleineren kugelförmigen Spitzen, welche rings um seine Basis standen. Der Jäger, welcher seine Axt bei sich führte, hatte bereits mehrere Schläge auf den Bau geführt, als er durch ein eigenthümliches Geräusch aufmerksam wurde. Man konnte es für ein Brummen halten, das aus dem Innern des Ameisenhaufens kam. Der Buschmann unterbrach seine Zerstörungsarbeit und horchte auf. Seine Begleiter aber sahen ihn an, ohne nur ein Wort zu sprechen. Als wieder einige Schläge mit der Axt gegeben waren, ließ sich ein deutlicheres Brummen vernehmen.
Der Buschmann rieb sich vergnügt die Hände, ohne jedoch ein Wort zu sprechen. Nur seine Augen erglänzten lüstern.
Von Neuem bearbeitete er jetzt den kleinen Hügel, so daß er ungefähr ein fußbreites Loch anbrachte. Die Ameisen flohen nach allen Seiten hin, aber der Jäger bekümmerte sich nicht darum, sondern überließ den Matrosen die Sorge sie einzusacken.
Jetzt erschien an der Mündung des Loches ein seltsames Thier. Es war ein Vierfüßler, mit einem langen Rüssel, kleinem Munde, ausdehnbarer Zunge, aufrechtstehenden Ohren, kurzen Beinen und einem langen und spitz zulaufenden Schwanz; sein Leib war mit röthlich gefärbtem Seidenhaar bedeckt und an seinen Füßen saßen ungeheure Krallen, die ihm unter Umständen als Waffen dienten.
Ein einziger tüchtiger Schlag, den Mokum auf die Schnauze des sonderbaren Thieres führte, genügte, um es zu tödten.
»Hier liegt unser Braten, meine Herren, sagte der Buschmann. Wir haben zwar warten müssen, aber das thut Nichts. Jetzt schnell ein Feuer, dann einen Ladestock, den wir als Bratspieß benutzen, und wir haben alsbald eine Mahlzeit, wie wir noch niemals eine genossen haben.«
Der Buschmann machte nicht gerade viele Worte: er hatte aber unterdessen das Thier rasch abgezogen. Es war ein Ameisenfresser, welchen die Holländer auch unter dem Namen Erdschwein kennen. Das Thier kommt sehr häufig im südlichen Afrika vor und ist der größte Feind der Ameisenhaufen. Der Ameisenbär bringt Legionen dieser Insecten um, und wenn er nicht in ihre engen Gänge eindringen kann, so fängt er sie, indem er seine außerordentlich dehnbare und klebrige Zunge hineingleiten läßt, die dann, wenn er sie wieder herauszieht, von den Ameisen wie mit Butter bestrichen ist.
Der Braten war bald fertig. Er hätte vielleicht noch einige Male am Bratspieß gewendet werden können, aber die Ausgehungerten waren zu ungeduldig! Es wurde ziemlich die Hälfte des Thieres verzehrt, und sein Fleisch, das fest und gesund war, für ausgezeichnet erklärt, obwohl man fand, daß es einen Beigeschmack von Ameisensäure hatte.
Was war das für ein Mahl und wie gab es den wackeren Europäern mit neuer Kraft auch den Muth und die Hoffnung zurück!
Und es war in der That nöthig, daß ihnen die Hoffnung wieder im Herzen erweckt wurde, denn auch in der folgenden Nacht zeigte sich noch kein Lichtschein auf dem düstern Gipfel des Volquiria.
Einundzwanzigstes Capitel.
Es werde Licht.
Seit neun Tagen war der Foreloper mit der kleinen Gesellschaft abgereist. Welche Zufälle hatten ihren Weg verzögert? Hatten Menschen oder Thiere ihnen unüberwindliche Hindernisse bereitet? Warum dieser Verzug? Sollte man annehmen, daß Michael Zorn und William Emery im Vordringen vollständig aufgehalten wären? Konnte man nicht glauben, daß sie unwiderruflich verloren seien?
Man begreift die Furcht und Angst, das Schwanken zwischen Hoffnung und Verzweiflung, dem die in der Schanze des Scorzef eingeschlossenen Astronomen unterlagen. Seit nenn Tagen schon waren ihre Collegen, ihre Freunde abgereist! In sechs, höchstens sieben Tagen hätten sie an ihrem Ziele anlangen müssen. Es waren ja thätige, muthige Männer, welche der Heldenmuth der Wissenschaft spornte. Von ihrem Erscheinen auf dem Gipfel des Pic Volquiria hing der Erfolg des großen Unternehmens ab. Sie wußten es selbst und würden gewiß Nichts zum Gelingen vernachlässigt haben. Ihnen konnte die Verzögerung sicher nicht Schuld gegeben werden. Wenn also nach neun Tagen noch das Signallicht auf dem Gipfel des Volquiria nicht aufblitzte, so mußten sie todt oder von nomadisirenden Stämmen gefangen sein.
Das waren die entmuthigenden Gedanken und betrübenden Vermuthungen, die im Geiste des Oberst Everest und seiner Collegen aufstiegen. Mit welcher Ungeduld warteten sie, bis die Sonne
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