Abenteurer meiner Traeume
Tresen, »dieses Mädchen gehört einem Mahn namens Whip Moran. Das hat er mir höchstpersönlich gesagt, kurz bevor er sich auf die Goldsuche machte. Er ist einen Monat oder zwei weg, wird aber bald wiederkommen, und wenn dann einer seine Frau belästigt hat, dann kann sich derjenige die Feuer der Hölle von nahem anseh’n.«
Shannon wollte widersprechen und erklären, daß sie nicht mehr zu Whip gehörte, daß er nicht auf Goldsuche war und auch nicht wiederkommen würde. Aber sie schwieg. Zumindest eine Zeitlang würde Whips Ruf sie so beschützen, wie ihr früher Silent Johns Ruf Schutz gewährt hatte.
»Whip?« fragte der Bergmann unglücklich. »War das etwa der, der die vier Culpeppers zur Hölle geschickt hat?«
»Ja, genau«, sagte Murphy mit Schadenfreude. »Und falls das noch nicht reicht, um deinem Pimmel den Saft abzugraben: Whips Bruder ist ein Revolverheld namens Reno.«
Der Bergmann wirkte sogar noch unglücklicher.
»Und Whip hat mir ausdrücklich erklärt«, fuhr Murphy fort, »daß Caleb Black und Wolfe Lonetree dieses junge Mädchen als zur Familie gehörig betrachten. Wer immer sie belästigt, muß ihnen Rechenschaft ablegen. Und ihr Hund ist auch kein Schoßhündchen.«
Shannon warf Murphy einen kurzen Blick zu und fragte sich, wie »ausdrücklich« Whip seine Argumente dem Ladenbesitzer wohl vorgetragen hatte. Doch wie auch immer, das Ergebnis war bemerkenswert. Es war klar, daß Murphy sich Shannon gegenüber respektvoll benehmen würde.
Der Gedanke daran, daß Whip versuchte, auch aus der Ferne für Shannons Wohlbefinden zu sorgen, schmerzte wie ein Messer, das sich tief in Shannons Seele umdrehte. Whip hatte den Vorratsschrank und Cherokees Räucherhaus mit Wild und Fisch und Geflügel gefüllt und beide Hütten rundum von Feuerholz umgeben zurückgelassen. Und Reno hatte
so viel Gold gefunden, daß Shannon jederzeit Echo Basin verlassen und bequem leben konnte, wo immer sie wollte.
Es gab keinen Zweifel, daß Whip sie sehr geschätzt hatte.
Doch nicht genug, um zu bleiben.
Möge Gott dich beschützen, Streuner, betete Shannon im stillen, wie sie es schon so viele Male getan hatte, seit Whip fort war. Mögest du eines Tages finden, was du suchst.
»Entschuldigen Sie, Ma’am«, sagte der Bergmann höflich. »Ich werde jetzt gehen.«
Shannon riß ihre Gedanken los von Whip und sah den Mann an, der dastand, die Arme voller Vorräte, und Prettyface mißtrauisch betrachtete.
»Der Hund steht zwischen mir und der Tür«, erklärte der Fremde.
»Prettyface«, sagte Shannon und trat zur Seite. »Komm her und sei ruhig.«
Prettyface knurrte noch einmal leise und gehorchte dann. Als Shannon zur Theke ging, folgte ihr der Hund. Doch sein Blick verließ den Goldsucher keinen Augenblick.
Die Tür knallte hinter dem Mann zu, von einem kalten Septemberwind zugestoßen.
Shannon spürte den eisigen Hauch und zog ihre abgetragene Jacke enger um sich. Der September hatte viele Gewitter und wilde, eisige Winde gebracht. Elche und Hirsche hatten das Hochland schon verlassen, denn sie spürten, daß jetzt jederzeit der erste Schnee fallen konnte.
Das hatte auch Shannon gezwungen, in die Stadt zu kommen. Sie brauchte noch warme Kleider für sich und Vorräte für Cherokee. Die alte Frau war nicht in der Lage, selbst so weit zu gehen... obwohl Shannon den Verdacht hatte, daß Cherokee irgendwo oben am Weg im Hinterhalt lag, wie Silent John es oft gemacht hatte, um sicherzugehen, daß Shannon von niemandem verfolgt wurde.
»Guten Tag, Mr. Murphy«, sagte Shannon, als sie an der
Theke stand. »Würden Sie bitte meine Vorräte für mich bereitstellen, während ich ein paar wärmere Kleider aussuche?«
Murphy grunzte.
»Und, Mr. Murphy?«
Er grunzte noch einmal.
»Lassen Sie den Daumen von der Waage«, sagte Shannon scharf. Der Ladenbesitzer grinste. »Das hat Whip Ihnen erzählt.«
»Das war gar nicht nötig. Ich wußte schon seit Jahren, daß Sie mich betrogen haben. Silent John hat es hingenommen. Ich tue es nicht. Wenn das bedeutet, daß ich von jetzt an meine Vorräte in Canyon City kaufen muß, werde ich das eben tun.«
»Nur keine Aufregung, Miss. Ich werde mich hüten, mich bei Whip unbeliebt zu machen.«
»Und bei mir?«
»Und bei Ihnen auch nicht«, stimmte Murphy zu. »Leute, die schlau genug sind, ihr Schäfchen richtig ins Trockene zu bringen, haben keine Schwierigkeiten mit mir.«
»Gut. Mein Maultier ist draußen. Bitte laden Sie die Sachen auf, wenn Sie fertig
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