Aber bitte fuer immer
hoffe, du bist jetzt zufrieden.
Nancy Jansen lässt fragen, ob du ihr ein WONDERCAT-Heft signierst: Die frühen Jahre für ihren Neffen Jeff. Ich habe es ihr versprochen. Sie schickt es an deine New Yorker Adresse mit einem frankierten Rückumschlag, dann brauchst du nur zu unterschreiben und es bei der Post einzuwerfen.
Liebe Grüße
Mom
Reisetagebuch
von
Jane Harris
Die Spanische Treppe ist nichts Dolles. Ich meine, die Stufen sind ganz ausgetreten, schließlich sind sie schon ungefähr dreihundert Jahre alt. Sie bergen definitiv ein Unfallrisiko. Ich hätte mir fast den Knöchel verstaucht, als wir hinuntergelaufen sind.
Und ja, okay, das Keats-Shelley-Haus steht direkt daneben. Shelley. Hat seine Frau nicht Frankenstein geschrieben?
Ich weiß nicht, warum Cal so schmallippig wurde, als ich ihn das fragte. Woher soll ich mich mit Literatur auskennen? Ich habe Kunst studiert. Ich wette, Cal weiß dafür nicht, dass Michelangelo es dermaßen leid war, dass die Leute die Hände seiner David-Statue bewunderten, dass er sie abschlug.
Ich fragte ihn also, ob er das wisse, und er verneinte. Und er fügte hinzu, dass er nicht verstehe, warum Michelangelo die Hände abschlug, wenn sie bei den Leuten so gut ankamen.
Also erklärte ich ihm, dass ein Künstler möchte, dass die Menschen sein Werk als Ganzes betrachten und nicht nur Teile davon. Wenn die Leute nur auf die Hände achten, nehmen sie den Rest der Statue nicht wahr. Und das widerstrebte Michelangelo … Er wollte keine tollen Hände schaffen. Er wollte eine tolle Statue schaffen.
Ich konnte sehen, dass Cal beeindruckt war. Ich glaube, damit habe ich meine Bemerkung über Britney vorhin im Hotel Eden wiedergutgemacht. Da sah er nämlich einen Moment lang richtig erschrocken aus.
Was soll’s! Ich kann es nicht ändern, dass er das Wall Street Journal liest und ich die Klatschzeitschriften. Trotzdem habe ich etwas auf dem Kasten, sonst müsste ich nicht jedes Quartal Einkommenssteuer zahlen, oder?
Auf der Treppe saßen all diese Hippies mit Gitarren, die von Frieden sangen und so. Ihr Anblick erinnerte Cal offenbar an etwas, da er plötzlich sagte: »Ich muss zur Bank.« Ich fragte: »Warum?«, und er antwortete: »Ich muss meiner Schwester Geld schicken.«
Also gingen wir zur Western Union – glücklicherweise ist die Spanische Treppe eine Touristenattraktion, sodass wir sehr schnell eine Filiale fanden –, und Cal überwies tausend Dollar an eine Mary Langdon. Ich weiß, ich hätte wegschauen sollen, aber das wäre schwierig gewesen.
Außerdem war ich neugierig.
Obwohl Cal offenbar nicht darüber reden wollte, fragte ich ihn, wie alt seine Schwester ist, und er sagte fünfundzwanzig. Er ist also der große Bruder. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass er eine kleine Schwester hat.
Es ist überhaupt schwer, sich Cal als Kind vorzustellen. Aber ich weiß, er war mal eins, denn damals sind Mark und er Freunde geworden.
Ich frage mich, ob Mary auch Angst vor Schlangen hat.
Und wofür sie die tausend Mäuse braucht. Wer leiht sich so viel Geld von seinem Bruder? Das bringt die beiden sicher vor das Fernsehgericht, Sie werden sehen.
Aber als ich nachfragte, meinte Cal nur: »Mary ist Künstlerin.« Und das in einem Ton, der erkennen ließ, dass er nicht viel von diesem Beruf hält. Äh … MEINEM Beruf.
Aber was soll’s. Es ist jedenfalls süß von Cal, dass er seiner kleinen Schwester hilft. Ich hätte ihn eher als jemanden eingeschätzt, der nicht gerne Geld verleiht, aber offenbar hat seine Schwester ihn um ihren Goldgräberfinger gewickelt …
Großzügig zu seiner Schwester. Mitleid mit Katzen. Angst vor Schlangen.
Trotzdem. Ein Modelizer. Und strikt gegen die Ehe.
Wir sind zurück im Konsulat. Cal wollte bereits aufgeben, aber das habe ich verhindert. Und ich bin froh, dass ich das getan habe, denn plötzlich geht es hier ganz schnell voran. Wir sind bereits bei Nummer 67. Fragen Sie mich nicht, wie das möglich ist.
Wie nervig … Da ist diese Frau, ungefähr in meinem Alter, die, wie ich vermute, dieselbe Bescheinigung braucht wie wir. Sie will einen Italiener namens Paolo heiraten. Das weiß ich, weil sie es jedem erzählt, der ihr zuhört. Paolo sitzt neben ihr und macht keinen sehr glücklichen Eindruck. Sie erzählte uns, er spräche kein Englisch. Und dass sie so gut wie kein Italienisch könne. Und dass ihre Beziehung allein auf körperlicher Anziehungskraft beruhe.
Was, wenn es stimmt, irgendwie traurig ist.
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