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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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die Weste zum Gesicht. Zur Wange, zur Nase, sie spürte die weiche Baumwolle. Sie roch Johann. Ihr Kind. Das irgendwo da draußen war. Es wurde ihr schwindlig.
    Dann kamen Ludwig und Erhard angerannt, die beiden Dackel. Robert ließ sie meistens im Garten herumtollen. Die Polizeihunde brachten sie völlig durcheinander. Ludwig und Erhard kratzten an ihren Beinen. Sie wollten an Johanns Weste. Marie verjagte sie.
    Das Programm trieb Marie weiter.
    Als sie vor das Tor trat, wieselten die Schäferhunde schon aufgeregt zwischen den Fahrzeugen herum. Die Tiere begrüßten sie freudig, mit wedelnden Schwänzen. Eine junge Frau mit streng zurückgebundenem, weißblondem Haar und plumpem Make-up ordnete die Leinen. Sie trug hohe Stiefel und eine dicke, khakifarbene Jacke mit zwei Reißverschlüssen. Auf ihrem Rücken stand »Hundestaffel«.
    Marie war froh, dass sie es mit einer Frau zu tun hatte. Nicht noch ein Fürbringer.
    Sie trat auf die Hundeführerin zu. Die Hunde sprangen um ihre Beine.
    Die Hundeführerin, die die ganze Zeit leise Befehle erteilt hatte, schaute erschrocken auf. Die junge Frau wusste, wer sie war. Die Mutter.
    Marie hielt ihr Johanns Weste hin. »Das gehört meinem Sohn.«
    Die Hundeführerin starrte auf das graue Bündel in Maries Hand.
    »Für die Hunde. Damit sie Johanns Witterung aufnehmen können.«
    Die Hundeführerin rührte sich nicht. Marie sah, dass sie unter dem rissigen, milchkaffeefarbenen Make-up rot wurde.
    »So etwas brauchen Sie doch, oder?«
    Die Frau konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Das sind nicht solche Hunde.«
    Marie verstand nicht. Das war doch die Hundestaffel, oder? Die Tiere, die nach Johann suchen sollten. Und die brauchten einen Anhaltspunkt. Etwas, was nach Johann roch. Sie drängte der Hundeführerin die graue Weste förmlich auf.
    Die Frau schaute auf das Bündel und schüttelte so heftig den Kopf, als könnte sie sich mit etwas anstecken, wenn sie Johanns Weste anfasste.
    »Sie brauchen keine Kleidung von Ihrem Kind. Das sind keine Hunde, die an Kleidern schnuppern. Sie suchen nach etwas anderem als nach dem Körpergeruch, der in den Kleidern ist.«
    Marie zog die Weste zurück, klemmte sie unter den Arm. Sie kam sich ahnungslos vor, etwas überdreht. »Was schnuppern sie denn? Irgendetwas müssen sie doch schnuppern.«
    Die Hundeführerin schloss die Augen, als sie antwortete. »Sie schlagen auf Leichengeruch an. Das sind Leichenspürhunde.«
    Das Programm schaltete ab. Marie spürte noch, wie ihre Knie wegknickten.
    Dann wurde es dunkel.
    6
    Als Marie aufwachte, lag sie auf dem Sofa in der Küche. Robert hielt ihr ein Glas mit Wasser hin. Marie trank. Das tat gut.
    Marie bewegte die rechte Hand.
    Jetzt fiel es ihr ein: Sie hatte Johanns Weste von der Garderobe genommen und war damit hinausgegangen. Dann spürte sie die weichen Hundefelle an ihren Waden. Sie hörte das Hecheln der Suchhunde. Genau – die Hundeführerin.
    Marie richtete sich auf. Es behagte ihr nicht, auf dem Küchensofa zu liegen. Vor allem wegen Fürbringer. Der Kommissar saß am Küchentisch und trank von dem Kaffee, den Marie für sich und Robert gekocht hatte. Er saß da wie in einem amerikanischen Film: die Beine gespreizt, Jacke und Weste weit offen, so, als wäre er stolz auf seine gestreiften Hosenträger.
    Fürbringer schlürfte den Kaffee aus einer von Maries Sammeltassen. Die konnte ihm nur Robert gegeben haben. Ebenso wie die Milch aus dem Kühlschrank. Die Kilotüte mit Zucker stand aufgerissen auf dem Tisch. Ein Esslöffel ragte aus der Raffinade. Wusste Robert nicht, wo die Zuckerdose stand?
    Die Kumpanei der beiden Männer ging Marie immer mehr auf die Nerven.
    Fürbringer beobachtete sie, das spürte Marie. Sie kam sich nackt vor – wahrscheinlich hatten die beiden sie minutenlang so gesehen: bewusstlos auf dem Küchensofa.
    Sie stand auf. Jetzt erst bemerkte sie, dass ihr jemand eine Decke um die Beine gewickelt hatte. Es war die Hundedecke, die immer im Flur in der Ecke lag, falls Roberts Dackel es sich im Haus gemütlich machen wollten. Marie roch den süßlichen Geruch der Hunde. Plötzlich hasste sie Hunde.
    Sie befreite ihre Beine von der Decke.
    »Geht’s besser?«, fragte Robert. Er stand mit dem geriffelten Brotmesser in der Linken und einem Brotlaib in der Rechten mitten in der Küche. Machte er etwa Frühstück für seinen Freund Fürbringer? Marie fand, dass es höchste Zeit war aufzustehen.
    »Bleiben Sie doch liegen!«, sagte Fürbringer und schlürfte weiter

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