Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
einen bleichen jungen Mann mit der glatten Haut eines Babys. Der Kripobeamte wirkte etwas schwammig, vielleicht wegen der weiten Skaterklamotten: ein XXL - T -Shirt mit einem US -Club-Aufdruck, verwaschene Riesenhosen mit zerfransten Säumen, helle, leichte Turnschuhe. Er stand auf und reichte Marie die Hand, mit einem pietätvollen Blick. Doch seine tiefbraunen Augen hatten einen gefährlichen Glanz. Er nannte seinen Namen: Bäsch. Bäsch war noch jung, noch keine dreißig, aber er war hart und unnachgiebig. Das spürte Marie. Eigenartig, dass der spröde und etwas weiche Fürbringer einen solchen Untergebenen in seiner Nähe duldete.
Bäsch nahm Platz. Er widmete sich wieder dem, was auch die anderen beschäftigte.
Wie Marie jetzt erst feststellte, handelte es sich um ein Foto. Ein bearbeitetes Foto. Es zeigte einen Wagen. Einen Van. Tiefschwarz und mit getönten Scheiben. Ein Großraumwagen.
»Das ist ein Phantomfoto«, erklärte Fürbringer.
Robert sprang auf und bot Marie seinen Platz an. Marie setzte sich, so konnte sie das seltsame Foto besser sehen.
Fürbringer streckte sich. »Drei Zeugen haben unabhängig voneinander ausgesagt, vorgestern Abend zwischen sechs und sieben Uhr einen schwarzen Wagen mit getönten Scheiben gesehen zu haben. Da hier sehr wenig Verkehr ist und solche Vans selten sind, halten wir die Beobachtung für wichtig. Deshalb haben wir das Phantomfoto an die Medien gegeben.«
Zeugen hatten also ein Fahrzeug bemerkt, das hier nicht hingehörte – so einen dunklen Van mit getönten Scheiben hatte Marie jedenfalls in Bubach noch nie gesehen. Der Wagen hatte sich zu der Zeit in ihrer Gegend aufgehalten, in der Johann verschwunden war. Also ging man davon aus, dass der Fahrer etwas mit Johanns Verschwinden zu tun hatte.
Fürbringer glaubte nicht mehr an einen Unfall. Johann war einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Eigentlich waren sie schon davon ausgegangen, als sie die Sexualverbrecher überprüft hatten. Dabei war wohl nichts herausgekommen, sonst hätte Fürbringer längst etwas dazu gesagt. Aber sie rechneten mit einem Verbrechen. Schon längst taten sie das.
Robert nahm ihre Hand. Reflexartig zog sie sie weg. Doch dann griff Marie Roberts Hand und drückte sie.
»Wir müssen jetzt etwas Geduld haben«, sagte Fürbringer. »Im Fernsehen zeigen sie seit einer Stunde in allen Nachrichten das Foto des Vans. Erfahrungsgemäß müssten gleich die ersten Rückmeldungen eingehen. Unsere Leute werden die Spinner und die Wichtigtuer aussortieren. Mal sehen, was dann noch übrig bleibt.«
Die beiden Polizisten mussten weiter. Sie wollten sich die erste Auswertung der Anrufe vornehmen. Fürbringer versprach, sich auf jeden Fall in den nächsten Stunden zu melden. Das Phantomfoto mit dem schwarzen Van ließ er da.
Robert und Marie saßen lange am Küchentisch und starrten das Foto an, das doch eigentlich eine Grafik war und ihnen keine Geheimnisse offenbaren konnte.
»Was hat dieser Mensch mit unserem Kind getan?«, fragte Marie irgendwann.
Robert stand auf und ging zur Tür. Bevor er die Küche verließ, sagte er: »Wir werden es bald wissen.«
8
Fürbringer meldete sich nicht.
Am späten Nachmittag stellte Marie den Fernseher an. Sie suchte die Nachrichten. Sie wollte sehen, was sie den Leuten über Johanns Verschwinden sagten.
Die Meldung kam ganz zum Schluss. An der Stelle, an der sie sonst etwas über Eisbären oder Rockkonzerte brachten. Der Sprecher machte ein ernstes Gesicht. Sie blendeten das Foto von Johann ein. Der Sprecher sagte, der elfjährige Johann aus Bubach sei seit gestern Abend verschwunden. Die Polizei bitte um sachdienliche Hinweise. Dann zeigten sie den schwarzen Van. In diesem Zusammenhang werde nach dem Fahrer dieses Wagens gesucht, hieß es.
Marie dachte schon, das wäre es gewesen. Doch dann sagte der Sprecher, ein Zeuge habe in der Nähe des schwarzen Vans eine Person gesehen, die eine Mickey-Mouse-Maske getragen habe. Sie blendeten eine solche Maske ein.
Marie kannte die Maske. Kinder trugen sie an Karneval oder zu ähnlichen Anlässen.
Der Sprecher sagte, der Zeuge habe die Maske für einen Scherz gehalten. Deshalb habe er sich jetzt erst gemeldet.
Marie fragte sich, wie man im Frühling einen Mann mit einer Mickey-Mouse-Maske herumlaufen sehen und glauben konnte, das sei ein Karnevals-Scherz.
Doch dann stellte Marie sich vor, wie der Mann mit der albernen Maske auf Johann gewirkt hatte. Sie musste weinen.
Abends erschien Fürbringer endlich. Er
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