Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
Johann zu finden. Alles andere sei zweitrangig. Dann bat er um die nötige Ruhe, damit die Mutter des entführten Jungen sich an den Entführer wenden konnte.
»Mein Junge ist nun schon seit sechs Tagen verschwunden. Ich weiß nicht, ob sich jemand vorstellen kann, was ich … was wir durchmachen. Sicher, Eltern können sich das vorstellen. Aber wenn dann so etwas passiert, dann ist es doch ganz anders …«
Marie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte.
Sie spürte, dass Fürbringer neben ihr unruhig wurde.
»Johann war unser Ein und Alles. Wir haben nur ihn.« Jetzt brannten ihr die Augen, dabei hatte sie sich fest vorgenommen, nicht zu weinen. Marie riss sich zusammen. Ihre Fingernägel schnitten in die Handballen. Es tat weh. Es musste wehtun.
»Ich weiß nicht, wie ich ohne mein Kind weiterleben soll. Seinen nächsten Geburtstag werde ich ohne Johann nicht überstehen.« Sie senkte den Kopf. Sie räusperte sich.
In der Turnhalle herrschte Totenstille. Nicht einmal mehr das Klicken der Kameras war zu hören.
»Ich bitte Sie inständig: Beenden Sie die Qualen, die ich durchmache! Geben Sie mir ein Zeichen. Sagen Sie uns, dass Johann am Leben ist. Und wenn er das nicht mehr ist – dann sagen Sie uns um Gottes willen, wo wir ihn finden!«
Marie spürte, wie Wut in ihr hochkochte. Die Wut verhinderte die Tränen. Aber sie durfte ihre Wut nicht zeigen. Fürbringer hatte ihr geraten, den Entführer nicht zu reizen. Das würde womöglich alles zunichtemachen.
»Ich weiß nicht, warum Sie so etwas getan haben. Aber zeigen Sie, dass Sie ein Mensch sind! Bitte, nehmen Sie Kontakt mit uns auf, und sagen Sie uns, wo unser Kind ist!«
Marie konnte nicht mehr. Sie stand auf und ging hinaus. Die Fotografen blitzten und klickten so aufgeregt, als wäre Maries Abgang der Höhepunkt der Konferenz.
Marie schaffte es bis zum Wagen. Dann knickten ihre Beine ein, ihr wurde schwarz vor Augen. Robert konnte gerade noch verhindern, dass sie auf dem Asphalt aufschlug. Er setzte sie in den Wagen und schnallte sie an.
Fürbringer schaltete das Blaulicht ein. Er fuhr vor. Robert raste hinterher.
Marie öffnete ab und zu die Augen. Sie sah verschwommen das Blaulicht. Robert kauerte über dem Lenkrad. Er sagte nichts, konzentrierte sich ganz aufs Fahren.
Im Krankenhaus wurde sie vom diensthabenden Arzt untersucht. Er gab ihr eine Spritze und veranlasste, dass man ein Bett für sie vorbereitete. Aber Marie wollte nach Hause. Sie musste nach Hause. Womöglich rief jemand an.
Robert tätschelte die ganze Zeit Maries Hand. Jetzt ließ er sie los. »Ich bin doch zu Hause. Ich nehme den Anruf entgegen.«
»Und wir sind auch da«, sagte Fürbringer, der aus Gründen, die Marie nicht verstand, während der Untersuchung die ganze Zeit dabei war.
Marie rutschte von der Liege, auf der sie während der Untersuchung gesessen hatte. Sie konnte nicht im Krankenhaus liegen, während Robert und Fürbringer mit dem Mann sprachen, der ihr Kind entführt hatte. Sie musste selbst mit ihm reden.
Marie lief die Auffahrt hoch. Die uniformierte Polizistin, die ihnen die Haustür öffnete, wartete gar nicht erst ab, bis Marie sie danach fragte: »Bis jetzt hat niemand angerufen.«
Marie drückte sich an ihr vorbei. Sie ging in die Küche. Das Telefon stand in der Ladestation. Das rote Licht, das eingegangene Anrufe anzeigte, blinkte nicht.
Robert und Fürbringer waren sofort hinter ihr.
»Willst du dich nicht hinlegen?«, fragte Robert sanft.
»Nein«, antwortete Marie, zog ihre Jacke aus und legte sie aufs Sofa.
Fürbringer hatte es plötzlich sehr eilig. »Jeden Moment werden die Kollegen von der Technik eintreffen. Sie werden eine Fangschaltung installieren.«
»Das möchte ich nicht«, sagte Marie entschlossen. An Fürbringers Miene sah sie, dass er genau das befürchtet hatte. Aber der Kommissar sagte nichts; er überließ Robert das Feld.
»Marie, du musst vernünftig sein. Diese Fangschaltung ist wichtig. Womöglich kann man feststellen, wo der Anrufer sich befindet und ihn …«
»Glaubst du, der ist so blöd, von zu Hause aus anzurufen?!«, fuhr sie Robert an.
»Wir können auch ein Handy orten«, mischte sich der Kommissar nun doch ein. »Und wenn der Täter hier in der Gegend sitzt, was wir annehmen, dann haben wir eine reelle Chance, ihn auszuheben.«
Jetzt wurde Marie wieder laut. »Und was ist mit meinem Kind? Was geschieht mit Johann, wenn Sie ihn ausheben, wie Sie sagen? Was ist, wenn der Entführer die Falle bemerkt und
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