Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
wartete auf das Brummen des Handys.
Aber der Mann rief nicht mehr an.
Marie bemerkte, dass Robert Fürbringer zur Seite nahm. Er sprach lange mit dem Kommissar. Sie verständigten sich halblaut. Marie sollte nichts von dem Gespräch mitbekommen.
Aber sie wusste sowieso, worum es ging. Robert steckte der Polizei, dass seine Frau heimlich mit jemandem telefonierte. Dass sie möglicherweise Kontakt mit dem Entführer hatte. Marie musste gar nicht hören, was Fürbringer darauf antwortete. Sie sah es an den Gesichtern der beiden Männer – und sie konnte es sich denken. So gut kannte sie Fürbringer schon.
Der Kommissar beschwichtigte Robert, das war klar. Wahrscheinlich sah er die Angelegenheit als eine Chance an. Man musste Marie nur machen lassen und sie beobachten – vielleicht kam man durch sie auf elegante Art zum Täter.
Marie spürte das Handy in ihrer Hosentasche. Der Rufton war ausgeschaltet. Wenn jemand anrief, vibrierte es. Dann vibrierte es auf Maries Oberschenkel. Nur Marie konnte es spüren. Sonst keiner. Sollten sie sie doch beobachten, die beiden Schlaumeier.
In der Nacht darauf schlief Marie besser.
Sie war dennoch sofort hellwach, als das Handy von Johann eine SMS empfing. Sie kannte den dumpfen Dreiklang. Marie setzte sich auf und las die Nachricht.
Wir müssen uns sehen. Sofort. Der Freund.
Der Freund. Marie fand das unverschämt. Wie kam der Kerl dazu, sich ihr Freund zu nennen? Aber sie wollte jetzt nicht über solche Kleinigkeiten nachdenken. Sie stand leise auf und zog sich an. Das Licht blieb gelöscht.
Sie schloss die Tür vorsichtig auf. Barfuß durchquerte sie den Flur. Unten wartete sie ein, zwei Minuten bewegungslos. Nichts. Robert rührte sich nicht. Wenn sie richtig hörte, schnarchte er sogar. In Johanns Bett. Was war das bloß für ein Mensch?
Das Handy steckte in ihrer Hosentasche.
Marie schloss die Haustür auf. Das ging zum Glück lautlos. Sie verließ das Haus.
Es war kalt, sie zitterte.
Schwierig war das Schließen der Tür. Der Metallrahmen klapperte.
Als sie das geschafft hatte, wartete sie, ob im Haus Licht anging.
Es blieb dunkel.
Marie lief zum Schuppen. Die Tür war nie abgeschlossen, das musste man in Bubach nicht.
Sie schob ihr Fahrrad in die Einfahrt, lehnte es gegen den Schuppen und schloss die Tür wieder. Der Holzverschlag wackelte.
Das Fahrrad rutschte langsam an der Wand entlang zu Boden. Da der Lenker eine Plastikkappe hatte, geschah das fast unhörbar. Als das Rad jedoch auf den Beton aufschlug, schellte die Klingel. Laut und hell.
Marie stockte der Atem. Sie wagte nicht, sich zu bewegen.
Im Nachbarhaus ging ein Licht an. Marie packte das Rad und zog es zu sich heran. Sie drückte sich gegen den Schuppen. Irgendwo wurde ein Fenster geöffnet. Jemand hustete. Dann wurde das Fenster wieder geschlossen. Das Licht ging aus.
Marie beobachtete ihr eigenes Haus. Dort blieb alles ruhig. Robert schlief offensichtlich sehr fest.
Marie hob ihr Rad an. Sie wollte nicht, dass der Kies in der Einfahrt den aufmerksamen Nachbarn noch einmal ans Fenster rief. Sie schaffte es sogar, das Rad über das Gartentor zu hieven. Das alte Damenrad war schwer. Aber Marie verfügte plötzlich über ungeheure Kräfte.
Sie lehnte das Rad gegen das Tor – diesmal vorsichtiger, und stieg selbst darüber. Die kleine Pforte war zu laut.
Marie atmete durch, als sie sich endlich auf ihr Rad setzen konnte. Sie fuhr los.
Es war schön, durch die stille Nacht zu radeln.
Marie hatte kein Ziel. Sie bog einfach in die Bundesstraße ein und fuhr in Richtung Ortszentrum. Die sonst so belebte Straße war still. In Bubach war noch kein Mensch zu sehen. Ab und zu brannte in einer Dachkammer Licht.
Marie verließ den Ort hinter dem Supermarkt. Sie radelte in die Felder hinaus. Es wurde kälter und dunkler. Sie hielt an und schaltete den Dynamo ein.
Marie wollte zum Wald. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass der Entführer ihr hier, auf einem der Felder, gegenübertrat. Man war viel zu ungeschützt.
An einer Bank hielt sie an, stieg ab, setzte sich und zog das Handy aus der Tasche.
Nichts.
Sie stieg wieder auf das Rad. Als sie endlich atemlos den Waldrand erreichte, hinderte sie etwas daran weiterzufahren. Wenn der Mann sie beobachtete, wovon Marie ausging, dann würde er sie aus den Augen verlieren, sobald sie in den dichten Wald fuhr. Marie schaute wieder auf das Display des Handys. Keine neue Nachricht.
Er hatte sie doch aufgefordert loszufahren. Sofort, hatte es in der SMS
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