Abgebrezelt
führt, dass ich mir Hunderte von Vorher/Nachher-Bildern von gelungenen Botox-Behandlungen anschauen muss. Über die Kombination »hängendes Augenlid nach Botox« werde ich dann fündig. Der medizinische Begriff für mein Problem ist »Ptosis«, und die Wahrscheinlichkeit dieser Nebenwirkung liegt bei etwa 1–5 %. Allerdings: einem erfahrenen und gut ausgebildeten Arzt sollte das gar nicht erst passieren. Was Roland wohl für eine Ausbildung hat? Offensichtlich darf fast jeder Arzt Botox spritzen und man sollte sich vorher unbedingt erkundigen, ob der Arzt, bei dem man die Behandlung durchführen lassen will, eine entsprechende Zusatzausbildung hat. Und ich lese noch nicht mal den Wisch mit den Risiken! Jetzt ärgere ich mich nicht nur über Roland, sondern auch noch über mich selbst.
Die Frage, wie lange eine Ptosis normalerweise anhält, kann mir das Internet leider nicht mal beantworten, nachdem ich zig Seiten zu dem Thema durchforstet habe. Tatsache ist: das Grauen kann zwischen zwei Wochen und sechs Monaten andauern. Grenzenlose Verzweiflung überkommt mich, und ich habe das Gefühl, dass ich unbedingt mit jemandem darüber reden muss. Ich wähle Julias Nummer, aber sie geht mal wieder nicht ran. Als der AB anspringt, lege ich gleich wieder auf. Dann wähle ich Caros Büronummer. Es dauert ein bisschen, bis sich ein Mann meldet:
»Kanzlei Westerhoff und Partner. Peter Subinsky. Was kann ich für Sie tun?«
»Hier spricht Jessica Kronbach«, schniefe ich in den Hörer, »kann ich mal bitte mit Caro sprechen?«
»Frau Schüller ist im Moment in einer Besprechung. Ist es dringend?«
»Jaaaaa … «, heule ich ins Telefon.
»Ähhhm ja, äh … dann hole ich sie eben … Moment bitte.«
Es dauert ein paar Minuten, bis Caro den Hörer in die Hand nimmt und sich mit einem knappen »Ja?« meldet.
»Caaaaaaaro … «, jammere ich ihr ins Ohr.
»Jessi? Bist du das?«
»Jaaaaaaaa … «
»Mensch, Jessi, was ist denn los? Ich bin mitten in einer Besprechung.«
»Caro, ich war bei Roland.«
»Ja und?«
»Wegen Botox, du weißt schon.«
»Jessi! Und?«
»Es ist schiefgegangen. Ich hab ein riesiges Matschauge und Augenlider wie aufgeblasene Regenwürmer!«
Ich fange wieder an zu heulen.
»Echt? Vielleicht hättest du doch besser zu meinem Chirurgen gehen sollen.«
»Zuuuuu spääääääät! Ich seh aus wie ein Zykloooooooop, Caro!«
»Jessi, jetzt beruhig dich doch, das geht bestimmt wieder weg! Und sei mir nicht böse, aber ich muss ganz dringend wieder in die Besprechung. Ich meld mich später bei dir, dann quatschen wir, ja? Tschüssi.« Dann legt sie auf. Die darauf folgende Stille erdrückt mich fast. Aber der Hinweis mit dem Chirurgen bringt mich immerhin auf eine Idee. Ich drücke die Wahlwiederholungstaste.
»Kanzlei Westerhoff und Partner. Peter Subinsky. Was kann … «
Ich unterbreche ihn unhöflich: »Jessica Kronbach noch mal. Könnten Sie mir bitte Caro noch mal ans Telefon holen?«
»Ich weiß nicht, sie wollte nicht mehr gestört werden.«
»Herr Subinsky! Bitte! Sie können das nicht wissen: es geht um Leben und Tod!« Ich wundere mich selbst, dass ich so einen Ton zustande bekomme, der keinen Widerspruch duldet.
»Okay … in Ordnung. Ich hole sie noch mal aus dem Meeting.«
Es dauert wieder ein paar Minuten, bis Caro ans Telefon kommt.
»Jessi! Mensch, ich hab doch gesagt, dass ich mich bei dir melde. Was ist denn jetzt?« Sie ist hörbar genervt.
»Caro, wie heißt dein Chirurg? Ich will da sofort einen Termin ausmachen.«
»Und deshalb holst du mich zum zweiten Mal aus dem Meeting? Das hätte doch echt noch Zeit gehabt.«
»Caro!«, ich schreie fast »ich habe ein verdammtes Matschauge! Ich sehe aus wie ein Monster, echt. Wie heißt der Chirurg?«
»Okay, okay, schon gut! Doktor Almaydin, die Telefonnummer findest du im Netz.«
»Und das schreibt sich wie? »
»N.E.T.Z. Kann ich jetzt weiter die zwei Millionen schweren Mietverträge für die Deutsche Bank besprechen oder ist noch was?«
»Ja! Warte!« Sie legt auf. Wie war noch mal die Definition für eine gute Freundin? Immer für einen da? Immer ein offenes Ohr? Immer bereit zu helfen?
Ich suche im Netz nach der Telefonnummer von Caros plastischem Chirurgen, finde sie auf Anhieb und rufe in der Praxis an.
»Hallo? Ich brauche sofort einen Termin!«
»Wie sind Sie versichert?«, fragt die Sprechstundenhilfe reserviert.
»Gesetzlich.«
»Worum geht es denn?«
»Ich habe ein Matschauge!«
»Sie haben
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