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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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Felix! Sag mal, alles in Ordnung mit dir? Warum bist du nicht im Büro?«
    Büro? Ich setze mich in meinem Bett auf und reibe mir die Augen. In dem Moment, wo mein Daumenballen mein rechtes Auge berührt, fällt mir alles wieder ein. Und leider weiß ich auch sofort, dass das kein Alptraum war, sondern dass der Botox-Unfall wirklich passiert ist. Ich lasse das Handy sinken und schaue auf die Postkarte mit dem kitschigen Strand, die neben meinem Bett an der Wand hängt und die mir Julia von einem Ostseeurlaub geschickt hat. Die Sicht aus meinem rechten Auge ist immer noch eingeschränkt, ich muss mich anstrengen, die Strandkörbe auf der Karte auszumachen. Das Auge hängt also immer noch. Dann schiebe ich ganz vorsichtig meine Unterlippe nach vorne und schaue nach unten. Was sich da vor mir auftürmt, erinnert mich an ein riesiges, mit Wasser und Antibiotika aufgepumptes Putenbrustfilet für fünf Personen. Ich jaule vor Entsetzen auf, wie ein Hund, dem man aus Versehen auf den Schwanz getreten hat.
    »Jessica? Bist du noch dran?", höre ich Felix aus meiner Hand fragen. Ich nehme das Handy ganz langsam wieder ans Ohr.
    »Ja, ich bin noch dran!«
    »Was ist denn mit dir los? Du klingst so komisch!«
    »Ich bin krank geschrieben«, antworte ich mit monotoner Stimme.
    »Schon wieder krank? Davon weiß unser Chef aber anscheinend noch nichts. Der hat hier nämlich gerade wie ein Irrer rumgebrüllt, als er gesehen hat, dass du nicht da bist. Wem hast du den Krankenschein denn gegeben?«
    »Niemandem. Ich hab’s ehrlich gesagt vergessen.«
    »Mensch, Jessi, du weißt doch, dass der dich auf dem Kieker hat. Mit so was hilfst du ihm doch nur.«
    »Jaaaaaaaa, aber ich bin wirklich krank, sag ihm das bitte«, schluchze ich. »Die Krankmeldung bekommt er in den nächsten Tagen per Post.«
    »So schlimm? Was hast du denn?«
    »Ich hab ein Matsch … – sch … sch … Schweinegrippe, ich hab die Schweinegrippe.«
    »Im Ernst? Das gibt’s doch nicht. Musst du damit nicht in Quarantäne oder so?«
    »Neee, ist bis jetzt wohl noch nicht so schlimm. Ich muss bloß zu Hause bleiben und darf mich nicht anstrengen.«
    Schweinegrippe! Mein Gott, wieso fällt mir nur immer so ein Schwachsinn ein! Ich bin nicht nur entstellt, sondern auch noch einfallslos.
    »Weißt du was? Ich sag dem Chef Bescheid und komm heute Abend vorbei und hol die Krankmeldung einfach bei dir ab. Dann musst du mit deiner Schweinegrippe nicht zur Post, und der Chef beruhigt sich vielleicht schneller wieder.«
    »Ähhhh … nein, Felix, das geht … «
    »Wirklich kein Problem, Jessica, mach ich gerne. Bis heute Abend dann.« Dann legt er einfach auf. Ich bin zu erschöpft, um ihn noch mal anzurufen und ihm das auszureden, und verschiebe das Telefonat auf später. Vielleicht sollte ich mir als erstes mal einen Kaffee machen, um ein bisschen Normalität zu simulieren. Allerdings müsste ich dazu am Flurspiegel vorbei! Hatte ich vor zwei Tagen noch Angst, dass mich Jens nicht wiedererkennen könnte, hab ich jetzt Angst, dass ich mich selbst nicht wiedererkenne.
    Ich kratze an meiner Wange und fühle kleine feuchte Vulkankrater, die wahrscheinlich kurz vor der Eruption stehen. Als ich aufhöre zu kratzen, beginnen die Krater richtig zu jucken. Das hatte ich noch nicht, das muss was Neues sein! Ich schleiche mit dem Rücken zum Spiegel durch den Flur, was natürlich total albern ist, weil im Bad der nächste Spiegel auf mich wartet. Das Licht lasse ich zunächst aus und taste mich im Dunkeln zum Waschbecken. Nachdem ich die Hälfte meiner Kosmetika auf den Badezimmerboden geworfen und Roberts Salbe immer noch nicht gefunden habe, bleibt mir nichts anderes übrig, als das Licht doch anzumachen. Ich muss der Wahrheit und mir ins hängende Auge blicken! Die Hand am Lichtschalter stehe ich vor dem Spiegel, die Augen noch fest geschlossen. Dann drücke ich den Schalter und das Licht flammt in mehreren Phasen auf, bis es endgültig an ist. Ich mache die Augen auf und … es ist der pure Horror! Das hängende Auge, die dicke Lippe, der Ausschlag und Haare, die mir nach dem Schlafen wirr um den Kopf hängen, und die aschfahle Haut fügen sich zu einem Bild des Grauens zusammen. Ich sehe aus, als hätte man mich mit einem ICE überrollt, dann mehrfach vom Eiffelturm geschmissen und im Anschluss noch durch den Fleischwolf gedreht.
    Der Boden schwankt unter meinen Füßen, und ich habe das Gefühl, dass ich auf Götterspeise stehe. Ich muss mich am Waschbecken festhalten, der

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