Abgebrezelt
blind unterschrieben habe.
»Na ja, schon, aber doch auch nicht so richtig.«
Er seufzt. »So eine Ptosis kann nun mal passieren, vor allem wenn ein Arzt nicht so erfahren ist beziehungsweise nicht die richtige Ausbildung genossen hat. Zwar nicht oft, aber es kann eben passieren.«
»Aber kann man denn tatsächlich überhaupt nichts dagegen tun?« Meine Stimme klingt sogar in meinen Ohren mehr als verzweifelt.
»Ja, man kann was tun!«
Ich schöpfe Hoffnung. Dr.Heintze, mein Retter!?!
»Was um Gottes willen? Ich mache alles! Auch wenn es fürchterlich weh tut, ich wochenlang quadratisch sehe und es mich mein letztes Geld kostet.«
Herr Dr.Heintze lacht. »Ich würde Ihnen sogar einen –«
»Einen was?« Herr Heintze guckt neugierig über seine eckige Brille.
»Äh … nichts … «
»Frau Kronbach, Abwarten kostet nichts und tut auch nicht weh.«
Was hatte ich gerade gedacht? Mit der Kneifzange würde ich den nicht anfassen, noch nicht mal, wenn er zwanzig Jahre jünger wäre und aussehen würde wie Daniel Craig in seinem ersten James-Bond-Film.
»Frau Kronbach, haben Sie Geduld! Das wird alles wieder von alleine weggehen. Sie müssen sich nur ein wenig entspannen.«
Ich frage mich, ob dieser Arzt was an den Augen hat oder seine Brille irgendwie nicht in Ordnung ist. Das würde auch den hässlichen Schinken hinter ihm erklären.
»Wie soll ich mich bitte entspannen, wenn ich aussehe wie die große Schwester von Frankenstein, Herr Heintze?«
Dr.Heintze räuspert sich.
»Ganz einfach, indem Sie sich damit abfinden, dass Sie im Moment nun mal so aussehen, wie Sie aussehen, anders funktioniert das nicht.«
»Abfinden?? Ich soll mich damit abfinden???«
»Das wäre das Beste.«
Dr.Heintze lächelt großväterlich und erhebt sich dann schwerfällig aus seinem Stuhl, was wohl bedeuten soll, dass ich seine Zeit nun lang genug in Anspruch genommen habe. Das ist mal wieder typisch, wenn diesen Scharlatanen nichts mehr einfällt, schmeißen sie dich einfach raus, und das ist jetzt sogar schon das zweite Mal, dass man mir eine Behandlung verweigert. Unser Gesundheitssystem ist echt am Ende! Genau wie ich! Dr.Heintze hält mir seine riesige Hand entgegen, die ich ignoriere. Ich drehe mich um und gehe zur Tür.
»Gute Besserung, Frau Kronbach«, höre ich noch, als die Tür zur Praxis hinter mir ins Schloss kracht.
Der Rest des Nachmittags verläuft nicht besser. Auch der Dermatologe Dr.Tempa, meine Frauenärztin Frau Dr.Hildegardis, mein Allergologe Dr.Friedrich und mein Osteopath Dr.Schwarze können mir nicht weiterhelfen und vertrösten mich mit den gleichen seichten Worten wie die beiden anderen Herren auch. Am leichtesten hat es sich die Homöopathin Frau Urgebrecht gemacht. Sie hat mir kurzerhand einen 400-seitigen Schinken zum Thema Selbstheilung mitgegeben, der mir mit seinem Gewicht auch noch die Wirbelsäule verkrümmt.
Zu Hause erwartet mich eine Überraschung. Vor meiner Wohnungstür liegt ein riesiger, wunderschöner Blumenstrauß. In der Mitte steckt eine Karte, auf der steht:
Liebe Jessi, meinst Du, Du kannst mir in den nächsten Tagen ein wenig bei der Wohnungssuche behilflich sein? Du weißt doch, wie ungeschickt ich mich immer anstelle, und ich müsste dann auch nicht so lange warten, bis ich die hübscheste Frau Kölns endlich wiedersehe. Nächste Woche? Meld Dich! Jens
FÜNFZEHN Wahre Freundschaft
Als Caro und Simone am Abend an der Tür klingeln, wage ich es zunächst nicht aufzumachen, so sehr schäme ich mich für mein Aussehen. Sogar oder vielleicht gerade vor meinen attraktiven Freundinnen.
»Jessi, mach auf! Komm schon!«, höre ich Caro sagen, die vor meiner Wohnungstür steht und den Klingelknopf gedrückt hält, »Das ist doch albern! Du wolltest doch, dass wir vorbeikommen. Also, mach schon auf!« Jetzt bollert sie zusätzlich zum Klingeln auch noch mit der Faust gegen die Tür, und da ich tatsächlich wollte, dass die beiden vorbeikommen, öffne ich verschämt die Tür.
Caro sieht wie immer perfekt aus, was mir heute einen noch viel größeren Stich versetzt, als sonst. Ich sehe ihr an, dass mein Anblick sie erschreckt, sie aber versucht, das so gut es geht zu überspielen. »Gehst du auf ’ne Demo, Steine schmeißen?«, fragt sie, noch bevor sie mich richtig begrüßt hat. Sie trägt enge Jeans, die ihre langen und schlanken Beine gut zur Geltung bringen, enge schwarze Stiefel und einen schmal geschnittenen, edlen schwarzen Pullover. Simone hat wie immer zu tief in den
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