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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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Farbtopf gegriffen, ihre Haare hat sie zu einem dicken Zopf geflochten. Sie trägt eine braune Lederjacke zu einer schwarzen, unfassbar engen Hose, die in ebenfalls schwarzen Ankle-Boots endet, was ziemlich sexy aussieht. Ich habe mich für Donna Karan Sport in Rosa, einen ausgeleierten Designer-Jogginganzug und ein Halstuch von Dolce & Gabbana entschieden. Neben den beiden sehe ich aus wie eine schweinchenfarbene Putzfrau.
    »Jessilein, o Gott, deine Lippe. Wie geht es dir denn?«, fragt Simone mitfühlend und im Gegensatz zur ultracoolen Caro, die sich mal wieder nichts anmerken lässt, wirkt sie ehrlich mitfühlend. Sie nimmt mich in den Arm, was mir unglaublich guttut.
    »Schlecht. Ich sehe aus wie ein Monster und keiner kann mir helfen!«, schniefe ich deprimiert in ihren schönen Pullover.
    »Doch, ich! Und zwar hiermit. Tataaa!«
    Caro hält zwei Sektflaschen in die Luft, die sie mitgebracht hat, und guckt mich Beifall heischend an.
    »Ach Caro, wenn es mal so einfach wäre«, seufze ich laut.
    »Komm schon, hol die Gläser, das hilft immer, glaub mir.«
    Ich gehorche stumpf und gehe in die Küche, Caro und Simone folgen mir und setzen sich an den kleinen Küchentisch. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich die beiden einen komischen Blick zu werfen, den ich nicht so wirklich deuten kann.
    Ich hole drei Sektgläser aus dem Schrank und setze mich dazu. Mir ist so gar nicht nach Sekt zumute, ich will aber keine komplette Spielverderberin sein. Für Caro ist Sekt eben ein Allheilmittel in allen Lebenslagen: bei Liebeskummer, bei Jobproblemen, bei Menstruationsbeschwerden, bei schlechtem Wetter. Und mit Sekt wird natürlich auch gefeiert, z.B. die neue Liebe, die Beförderung, die Tage ohne Tage, das tolle Wetter und so weiter. Sekt hilft Caro fast immer, Champagner immer. Nur bei den Alkoholproblemen, die sie auf jeden Fall kriegen wird – wenn sie sie nicht schon hat –, wird ihr das Prickelwasser wohl nicht helfen können. Caro hat mittlerweile die Gläser gefüllt, und wir stoßen an. Dann schauen die beiden mich an.
    »Kannst du nicht mal diese Brille und die Mütze absetzen? Das sieht wirklich merkwürdig aus«, meint Caro.
    »Merkwürdig? Ihr seid ja lustig. Wenn ich nur merkwürdig aussehen würde, dann hätte ich mich doch nicht verhüllt. Ich sehe aus, als wäre ich gegen einen Truck gelaufen, und zwar einen fahrenden.«
    »Aber Jessi, wir sind doch deine Freundinnen. Uns kannst du das doch zeigen und so schlimm wird’s schon nicht sein.« Simone tätschelt mir die Hand.
    »Es ist noch viel schlimmer! Ein Kanarienvogel, der ungebremst in ein Flugzeugtriebwerk gekracht ist, ist nix gegen mich.«
    »Jessi, du übertreibst mal wieder maßlos, jetzt nimm doch die Verkleidung ab!«
    »Caro hat recht. Wie sollen wir dir helfen, wenn wir gar nicht wissen, um was es eigentlich geht?«, meint jetzt auch Simone.
    »Ihr könnt mir doch auch nicht helfen. Ich war heute schon bei sämtlichen Ärzten, die erzählen alle dasselbe. Wisst ihr, was die sagen? Die sagen doch tatsächlich, ich soll mich entspannen! Das muss man sich echt mal vorstellen.« Mir schießen die Tränen in die Augen. Das Sektglas nehme ich trotzdem.
    »Los! Trink! Auf Ex! Das entspannt auf jeden Fall«, befiehlt Caro, und ich gehorche. Der Alkohol kommt ziemlich schnell in meinem Hirn an, und es geht mir tatsächlich etwas besser. Der Tränenstrom, der mir über das Gesicht läuft, verliert an Intensität. Nach zwei weiteren, ziemlich schnell getrunkenen Gläsern, bin ich trockengelegt und sogar bereit, Brille und Mütze abzusetzen.
    »Na ja, vielleicht habt ihr ja recht und es ist gar nicht sooo schlimm. Man selbst sieht das ja immer total kritisch. Tatatatataaaaaa!«
    Stille.
    »Ohhh«, ist das Einzige, was Caro zu meinem Äußeren einfällt. Beide starren mich mit großen Augen an. Die Stille wiegt für mich tonnenschwer, schließlich erlöst Caro mich mit einem sicherlich gutgemeinten »Ach du liebe Scheiße!«
    »Ist das ansteckend? Also dieser … dieser Ausschlag da?«, fragt Simone nach einer kurzen Weile mit besorgter Stimme und zeigt dabei mit dem Zeigefinger auf mein Gesicht. Sie versucht zu verbergen, dass sie sich ekelt, es gelingt ihr aber nicht. Ihre Mundwinkel ziehen sich nach unten, während ihre Nase sich nach oben kräuselt.
    »Was war das denn bitte für ein Truck, in den du da gelaufen bist?« Caro guckt, als hätte sie gerade eine warzige und schleimige Kröte verschluckt. Das ist zu viel für mich. Statt irgendwas dazu

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