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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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asozial. Ich sehe doch nur ein bisschen anders aus, ich bin doch derselbe Mensch geblieben.
    Kurz vor Ladenschluss und nachdem ich mich versichert habe, dass der Sicherheitsarsch nicht in der Nähe ist, gehe ich so unauffällig wie möglich in den mittlerweile einigermaßen leeren Baumarkt. Diese Evolutionsbremse in Uniform wird mich nicht davon abhalten, meinen Plan auszuführen.
    Ich schleiche mich zu den Regalen mit den Sprühdosen, packe drei Dosen roten Sprühlack – aus Angst vor einem Ladendetektiv mit einer ausholenden Bewegung und gut sichtbar! – in meinen Einkaufskorb und husche zur Kasse. Vor mir ist noch ein Kunde, der gerade acht Mörtelwannen bezahlt. Die Kassiererin nimmt den 100-Euro-Schein, gibt Wechselgeld raus und wünscht dem Mann freundlich lächelnd noch einen schönen Abend.
    Als sie mich sieht, zuckt sie kurz zusammen und kassiert ab, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.

NEUNZEHN  Montgomery Burns
    Der Aufprall ist so hart, dass ich von der Beifahrertür abpralle und wie ein übergewichtiger und volltrunkener Käfer auf dem Rücken und auf der Straße lande. Die Sonnenbrille schlittert über den Asphalt, meine Mütze landet in einer braunen Pfütze am Straßenrand. Die Baumarkttüte knallt ebenfalls auf den Boden, drei Spraydosen rollen scheppernd gegen den Bordstein. Der Fahrer des Wagens, gegen den ich gerade gelaufen bin, geht voll in die Eisen, und das Auto bleibt zwei Meter weiter stehen. Dann höre ich, wie sich eine Autotür öffnet und das Licht im Wagen angeht. Ein Mann kommt auf mich zu und beugt sich über mich. »O mein Gott! Alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen ja schrecklich aus. Ich rufe sofort einen Krankenwagen!«
    Der Mann kramt in seiner Tasche, wahrscheinlich sucht er sein Handy.
    »Nein, nicht nötig, alles okay!«, antworte ich und rapple mich schnell hoch. Ich will auf gar keinen Fall noch einmal ins Krankenhaus. Zumindest sitze ich jetzt und liege nicht mehr auf dem Asphalt. Dann greife ich schnell nach der Sonnenbrille und setze sie hastig auf. Die Mütze kann ich vergessen, die steht vor Wasser und Dreck.
    »Langsam, langsam! Wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Die Stimme klingt ehrlich besorgt und ich nicke mit dem Kopf. Dann sehe ich den Mann zum ersten Mal im Licht des Scheinwerfers, und dieses Mal bin ich diejenige, die sich bei dem Anblick erschreckt. Er hat ein riesiges Feuermal im Gesicht, das sein rechtes Auge, die Nase und einen Großteil der Wange in ein tiefes Rot taucht. Gorbatschows Feuermal ist dagegen ein Fliegenschiss. Die Nase des Mannes ist groß und dominiert sein Gesicht, was allerdings nur wenig von dem lichter werdenden Haar ablenken kann. Er sieht ein bisschen aus wie der junge Montgomery Burns, der Atomkraftwerksbetreiber bei den Simpsons .
    »Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf!«
    Er gibt mir die Hand und zieht mich hoch. Ich stöhne, weil mir das Steißbein schrecklich wehtut.
    »Wirklich alles okay?«
    »Ja, ja, alles so weit in Ordnung, nur ein paar blaue Flecken.«
    Ich hample ein bisschen mit Armen und Beinen herum, um zu demonstrieren, dass ich, zumindest was die Beweglichkeit angeht, top in Schuss bin. Dann versuche ich mich nach meiner Tüte und den Sprühdosen zu bücken, muss das aber wegen akutem Blitzeinschlag in die Lendenwirbelsäule sein lassen. Der Mann mit dem Feuermal eilt mir zu Hilfe und hebt alles für mich auf, auch die schmutzige Mütze.
    »Kommen Sie, ich fahr Sie zu einem Arzt. Sie sehen wirklich nicht gut aus.«
    »Warum wollen mich eigentlich alle zum Arzt fahren und nicht in ein schickes Restaurant oder in eine coole Bar? Im Übrigen seh ich immer so aus, also im Moment immer!«
    Er schaut mich besorgt an. Wahrscheinlich überlegt er, ob er mich besser in die Psychiatrie als in ein Krankenhaus fahren soll.
    »Es geht mir wirklich gut, machen Sie sich keine Sorgen. Wahrscheinlich nur eine Rückenprellung.«
    »Ich weiß nicht! Darf ich Sie wenigstens nach Hause bringen? Oder haben Sie Ihr Auto hier irgendwo stehen?«
    Ich seufze, weil er es offensichtlich wirklich ernst meint.
    »Nee, kein Auto. Also, wenn Sie unbedingt wollen, bringen Sie mich nach Hause. »
    Er schaut zufrieden und öffnet die Beifahrertür. Dann hinkt er um das Auto herum und steigt ein.
    »Haben Sie sich auch wehgetan?«, frage ich ihn, als er sich auf den Fahrersitz plumpsen lässt.
    »Nein, wieso?« Er schaut mich irritiert an.
    »Na, weil Sie hinken!«
    Er fängt herzhaft an zu lachen. »Ach, das meinen Sie, nein, nein, ich

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